Rz. 293

Für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe (RHB) ist die Ermittlung des beizulegenden Werts beschaffungsmarktorientiert vorzunehmen. Der beizulegende Wert bestimmt sich i. d. R. nach den Wiederbeschaffungskosten am Abschlussstichtag. Den Ausgangspunkt zu ihrer Ermittlung bilden die am Abschlussstichtag zu beobachtenden Preise. Anschaffungsnebenkosten (z. B. Transportkosten, Verpackungs- oder Abfüllkosten) sind ebenso zu berücksichtigen wie Anschaffungskostenminderungen (z. B. Skonti, Rabatte, bedingt: Boni). Kann der mind. kostendeckende Verkauf von RHB oder deren verlustfreie anderweitige Verwertung plausibel gemacht werden, ergibt sich keine Verpflichtung einer Abschreibung auf die gesunkenen Wiederbeschaffungskosten.[1]

 

Rz. 294

In der betrieblichen Praxis findet für RHB-Bestände häufig ein vereinfachter Niederstwerttest Anwendung. Hierbei wird dem Inventurwert der Vorräte der aus dem letzten Einkauf abgeleitete Beschaffungspreis gegenübergestellt und, falls dieser niedriger ist, eine Abwertung vorgenommen. Dieser Verfahrensweise liegt die Annahme zugrunde, dass der letzte Zukauf des jeweiligen Artikels die Wiederbeschaffungskosten am Abschlussstichtag approximiert. Für Bestände, bei denen der letzte Zukauf schon längere Zeit zurückliegt, kommt die Vereinfachung nicht in Betracht, da es an der erforderlichen Nähe der Preisermittlung zum Abschlussstichtag fehlt. Der vereinfachte Niederstwerttest verbietet sich außerdem, wenn

  • in der Zeit zwischen dem letzten Beschaffungsvorgang und dem Abschlussstichtag ein rückläufiges Preisniveau für alle oder bestimmte RHB zu beobachten ist oder
  • die zu bewertenden RHB am Markt von anderen Lieferanten günstiger bezogen werden und der letzte Einkauf aus anderen Erwägungen bei anderen Anbietern getätigt wurde (z. B. um vom Jahresbezug abhängige Rückvergütungen zu erlangen oder um nahestehende Unt wirtschaftlich zu fördern).
 
Praxis-Beispiel

ProduktionsUnt P bewertet seine RHB zum gleitenden Durchschnittspreis, der auch zur Inventurbewertung dient. Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses wird zum Abschlussstichtag ein Niederstwerttest für solche Artikel durchgeführt, bei denen innerhalb der letzten drei Monate vor dem Abschlussstichtag ein Zukauf erfolgt ist. Hierzu gehören u. a. Kupferbestände, die für das Unt einen bedeutenden Rohstoff darstellen.

Zum Jahresende 01 ist der Weltmarktpreis für Kupfer signifikant gesunken. P hat hiervon bis zum Abschlussstichtag noch nicht profitieren können, da die mit dem Kupferlieferanten geschlossene Rahmenvereinbarung bis zum Jahresende einen konstanten Einkaufspreis für Kupfer vorsieht. Aufgrund einer an der Jahresbezugsmenge ausgerichteten Bonusstaffel hat P davon abgesehen, Kupfer bei anderen Lieferanten einzukaufen.

Der vereinfachte Niederstwerttest führt für den Rohstoff Kupfer nicht zu einer zutreffenden Ermittlung des nach § 253 Abs. 4 HGB erforderlichen Abschreibungsbedarfs. P hat seine Kupferbestände auf Basis der am Abschlussstichtag am Markt feststellbaren Wiederbeschaffungskosten zu bewerten.

 

Rz. 295

Für Überbestände von RHB, d. h. Bestände, für die das Unt selbst keine betriebliche Verwendung mehr hat, ist anstelle einer an den Wiederbeschaffungskosten ausgerichteten Niederstbewertung eine absatzmarktorientierte Bewertung vorzunehmen. Relevanter Vergleichswert zu den AHK ist der vorsichtig geschätzte Verkaufserlös (unter Berücksichtigung von Alter und Zustand der Bestände), abzgl. zu erwartender Veräußerungskosten (z. B. Transportkosten).

 

Rz. 296

Die Wiederbeschaffungskosten können dann nicht unmittelbar als Bewertungsgrundlage übernommen werden, wenn die Bestände in ihrer Verwendungsfähigkeit eingeschränkt sind.[2] Gründe hierfür können sein:

  • Überalterung (z. B. nur noch kurze Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln),
  • Beschädigung (z. B. Rostansatz, Farbausbleichung),
  • beschränkte technische Verwendbarkeit (z. B. wegen geänderter Produktionsverfahren oder -programme),
  • wirtschaftliche Verwendungsbeschränkung (kostengünstigere oder technisch hochwertigere Substitutionsprodukte),
  • rechtliche Verwendungsbeschränkung (z. B. zeitliche Beschränkung einer Lizenz zur Herstellung eines Produkts).
 

Rz. 297

Zur Berücksichtigung dieser eingeschränkten Verwendungsfähigkeit sind Gängigkeitsabschläge vorzunehmen. Hierbei handelt es sich um pauschale Abschläge auf die AHK großer Lagerbestände. Sie tragen Bewertungsrisiken Rechnung, die sich bei einer Vielzahl unterschiedlicher Bestände nicht für jeden einzelnen VG praktikabel ermitteln lassen.[3] Derartige pauschale Abschläge bei großen Lagebeständen sind in der HB seit Langem anerkannt. Sie stellen eine zulässige Durchbrechung des Grundsatzes der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) dar.[4] Gängigkeitsabschläge werden zumeist anhand der Lagerumschlagshäufigkeit des jeweiligen Artikels und daraus abgeleiteter Lagerreichweiten bemessen. Nach der hier favorisierten absatzorientierten Niederstbewertung sind sie nur zulässig, soweit sie nach den Verhältnissen am Abschlussstichtag zu erwartende Verluste...

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