Rz. 45

Die stichtagsbezogene retrospektive Effektivitätsmessung entscheidet darüber, in welchem Umfang die Bewertungseinheit den Rechtsfolgen von § 254 HGB unterliegt. Kann das Ausmaß des Ausgleichs der gegenläufigen Wertänderungen von Grund- und Sicherungsgeschäft nicht mehr bestimmt werden, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem letztmals der Betrag der Unwirksamkeit verlässlich messbar war, keine Bewertungseinheit i. S. v. § 254 HGB mehr anzunehmen.[1] Eine für die Fortführung der Bewertungseinheit zu erreichende Mindestwirksamkeit besteht für die retrospektive Effektivität nicht. Ihrer bedarf es auch nicht, da der ineffektive Teil einer Bewertungseinheit nach § 254 HGB den einschlägigen handelsrechtlichen Regelungen unterliegt. D. h., insoweit greift die imparitätische Einzelbewertung.[2]

 

Rz. 46

Liegt keine perfekte Sicherungsbeziehung vor, greift die Praxis zur Messung der retrospektiven Effektivität verbreitet auf die in Rz 40 erläuterte Dollar-Offset-Methode zurück. Sie vergleicht die auf das abgesicherte Risiko zurückgehende Wertänderung des Grundgeschäfts mit jener des Sicherungsgeschäfts.

 
Praxis-Beispiel

Ausgehend vom obigen Beispiel in der Variante 1 (Rz 39) zur Absicherung eines künftigen Kaufpreisanspruchs in Fremdwährung durch ein Devisentermingeschäft sei angenommen, der Kassakurs des britischen Pfunds betrage zum 31.12.02 weiterhin 0,9. Die Zinsdifferenz zwischen den Währungen soll ebenfalls unverändert sein.

Zum 31.12.02 ergeben sich damit folgende Auswirkungen:

 
Berechnung 31.12.02
  Zinsdifferenz [%] 3,00
  Kassakurs [GBP je EUR] 0,9
  Laufzeit des Termingeschäfts [Jahre] 0
= Swapsatz 0,0
+ Kassakurs [GBP je EUR] 0,9
= Terminkurs 0,9

M hat am 1.1.02 einen Betrag von 50 Mio. GBP zum Terminkurs von 0,927 fest verkauft. Das entspricht einem Gegenwert von 53,94 Mio. EUR (50 Mio. GBP/0,927 GBP je EUR). Am 31.12.02 zahlt der Markt für 50 Mio. GBP einen Gegenwert von 55,56 Mio. EUR (50 Mio. GBP/0,9 GBP je EUR). Das Termingeschäft weist am 31.12.02 einen negativen beizulegenden Zeitwert von 1,62 Mio. EUR auf. Im Vergleich zur Situation ohne Abschluss des Termingeschäfts fällt der Erlös von M in Euro um 1,62 Mio. EUR niedriger aus. Die Differenz entspricht dem Zinsverlust (= Kosten der Währungsabsicherung) und ist Ausdruck der retrospektiv ermittelten Ineffektivität der Sicherungsbeziehung.

Variante 2:

Abweichend von Variante 1 sei angenommen, M habe nur die Kassakomponente des Devisentermingeschäfts als Sicherungsinstrument designiert.

Für die Bewertungseinheit ergibt sich eine vollständige Effektivität. Zum 1.1.02 beträgt der erwartete Gegenwert aus dem schwebenden Absatzgeschäft 55,56 Mio. EUR (50 Mio. GBP/0,9 GBP je EUR). Der Gegenwert schwankt mit der Veränderung des Kassakurses für das britische Pfund. Die Kassakomponente des Devisentermingeschäfts entwickelt sich exakt gegenläufig. Die Wertänderungen von Grundgeschäft und Sicherungsinstrument gleichen sich damit vollständig aus.

Die Wertveränderung der nicht in die Bewertungseinheit einbezogenen Zinskomponente des Termingeschäfts ist zu jedem Stichtag zu ermitteln. Sie beläuft sich zum 31.12.02 auf 1,62 Mio. EUR. Ihre bilanzielle Behandlung richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Für sie ist bis zur Glattstellung bzw. Erfüllung des Termingeschäfts eine Drohverlustrückstellung zu bilden.

 

Rz. 47

Ermitteln sich bei einer nicht vollwirksamen Sicherungsbeziehung nur geringe Wertänderungen für das Grundgeschäft und das Sicherungsinstrument, signalisiert die Dollar-Offset-Methode trotz eines weitgehenden absoluten Ausgleichs der gegenläufigen Wert- oder Zahlungsstromänderungen vielfach eine geringe relative Wirksamkeit der Bewertungseinheit. Um diesem Effekt zu begegnen, definiert die Praxis Toleranzwerte, bei deren Einhaltung die Sicherungsbeziehung als wirksam gilt.

 
Praxis-Beispiel

U hat am 15.7.01 eine Fremdwährungsverbindlichkeit aus einem Beschaffungsgeschäft i. H. v. 6 Mio. SFR gegen das Risiko einer Abwertung des Euro mit einem Devisentermingeschäft abgesichert. Die retrospektive Wirksamkeit der Bewertungseinheit beurteilt er nach der Dollar-Offset-Methode. Zu diesem Zweck vergleicht U die Wertänderung des Grundgeschäfts auf Basis des Kassakurses mit der gegenläufigen Wertänderung des Devisentermingeschäfts. Zum 31.12.01 beläuft sich der Gegenwert der Verbindlichkeit auf 5 Mio. EUR. Im Vergleich zum Zeitpunkt der Begründung der Bewertungseinheit ermittelt U die folgenden währungsbedingten Wertänderungen: Fremdwährungsverbindlichkeit: –2.000 EUR, DTG: +5.000 EUR.

Nach der Dollar-Offset-Methode ergibt sich eine rechnerische Wirksamkeit der Bewertungseinheit von 40 % (–2000/5.000). Die verschiedentlich geforderte Mindestwirksamkeit von mehr als 50 % wird damit nicht erreicht. Das Ergebnis erscheint bedenklich: Die niedrige Effektivität hat ihren Grund in der geringen Änderung der abgesicherten Risikovariablen. Wertänderungen aus anderen Gründen (Bonität, Zinskomponente) fallen deshalb besonders stark ins Gewicht und führen zu einer optisch niedrigen Effekt...

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