Rz. 34

Das Inventar ist das Bindeglied zwischen Buchführung und Inventur einerseits und dem Jahresabschluss andererseits. Das Inventar fasst die Bestände geordnet nach Posten zusammen und weist die Werte der jeweiligen Posten aus.

 

Rz. 35

Zu den Bewertungsvereinfachungsverfahren in diesem Zusammenhang vgl. § 256 Rz 10.

 

Rz. 36

§ 240 Abs. 2 Satz 3 HGB schreibt die Aufstellung des Inventars "innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit" vor. Der Wortlaut entspricht dem Wortlaut des § 243 Abs. 3 HGB, der die Aufstellung des Jahresabschlusses ebenfalls "innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit" anordnet. Eine ähnliche Vorschrift enthält § 264 Abs. 1 Satz 3 HGB für kleine KapG. Für die Buchführung schreibt § 239 Abs. 2 HGB dagegen eine "zeitgerechte" Buchführung vor (§ 239 Rz 22 f.). Die Regelungen zur Inventur in §§ 240, 241 HGB lassen besondere Fristen für eine ausgeweitete Stichtagsinventur (Rz 16) bzw. eine vor- oder nachverlegte Inventur zu (§ 241 Rz 28).

 

Rz. 37

Zunächst ist festzuhalten, dass eine nicht zeitgerechte Buchführung bzw. eine Inventur außerhalb der zugelassenen Fristen ordnungswidrig ist und die Ordnungswidrigkeit von Buchführung und Jahresabschluss zur Folge haben kann.

 

Rz. 38

Ein solch enges Zeitgerechtigkeitserfordernis ist für das Inventar – wie auch für den Jahresabschluss – nicht erkennbar. Das Inventar ist lediglich die Zusammenfassung und Bewertung der bei der Inventur ermittelten Bestände. Die dafür notwendigen Informationen müssen in einer ordnungsmäßigen Buchführung erfasst sein (bspw. Bewertungsgrundlagen) bzw. waren bei der Inventur zu ermitteln (bspw. Art, Mengen und bewertungsrelevante Umstände). Die Erstellung des Inventars ist deshalb zunächst ein rein mechanischer Vorgang. Bei der Besteuerung sind allerdings wertaufhellende Tatsachen bspw. für Wertberichtigungen oder Zuschreibungen zu berücksichtigen, die erst nach einer bestimmten Zeitdauer bekannt werden können. Allerdings besteht auch ein Bedürfnis, dass der Kfm. die Inventur für Zwecke der Beweissicherung abschließt; deshalb ist im Insolvenzfall die Nichterstellung von Inventar (oder Bilanz) nach § 283b Abs. 1 Nr. 3b StGB ein Straftatbestand.

 

Rz. 39

Der Begriff "innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit" ist für Inventar und Jahresabschlussaufstellung grds. gleich auszulegen. Allerdings zu beachten ist, dass die Inventaraufstellung der Aufstellung des Jahresabschlusses vorausgeht, weswegen die Jahresabschlussaufstellungsfristen nicht voll ausgeschöpft werden können.[1]

 

Rz. 40

Der BFH[2] hat für den Jahresabschluss entschieden, dass der Zeitraum "innerhalb der einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang entsprechenden Zeit" längstens zwölf Monate dauern darf. Der zulässige Zeitraum ist allerdings eine Frage des Einzelfalls. Zum einen sind die ggf. kürzeren, gesetzlichen Abschlussaufstellungsfristen zu beachten (bspw. § 264 Abs. 1 Satz 2 und 3 HGB, § 290 Abs. 1 HGB, §§ 114, 115, 117 WpHG), zum anderen entspricht es insb. bei Unternehmenskrisen nicht einem ordnungsmäßigen Geschäftsgang, die Aufstellung des Inventars und des Jahresabschlusses unter Ausschöpfung aller Fristen zu verschleppen.

 

Rz. 41

Der Kfm. muss das Inventar nicht unterzeichnen; unterzeichnen muss der Kfm. nur den Jahresabschluss nach § 245 HGB. Es kann allerdings zu einem sachgerecht aufgebauten internen Kontrollsystems gehören, dass wesentliche Vorgänge autorisiert werden. Deshalb ist in größeren Unt oder im Rahmen einer Abschlussprüfung i. d. R. eine Unterzeichnung des Inventars durch die dafür verantwortliche Person erforderlich.

[1] Vgl. Störk/Lewe, in Beck Bil-Komm., 13. Aufl. 2022, § 240 HGB Rz 69 f., 68; a. A. aber im Ergebnis kein Unterschied: ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 240 HGB Rz 61.
[2] Vgl. BFH, Urteil v. 6.12.1983, VIII R 110/79, BStBl 1984 II S. 227; der Auffassung des BFH, dass eine verspätete Bilanzaufstellung ein Buchführungsmangel sei, kann nicht gefolgt werden – zurecht aber hat der BFH eine Schätzung anstatt der verspätet erstellten Bilanz nur dann zugelassen, wenn die Verspätung mit einer Infragestellung der sachlichen Richtigkeit einhergeht. Im Urteilsfall war im Übrigen nicht nur die Bilanz verspätet aufgestellt worden, sondern es waren auch erhebliche inhaltliche Korrekturen vorgenommen worden, die auch als erhebliche Buchführungsmängel anzusehen waren.

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