Rz. 9

Der Wortlaut des § 291 Abs. 1 Satz 1 HGB verlangt zusätzlich, dass zwischen dem inländischen zu befreienden MU und dem übergeordneten MU, das den befreienden Konzernabschluss aufstellt, eine Mutter-Tochter-Beziehung besteht. Es reicht aus, dass diese nur am Stichtag des zu befreienden MU vorliegt und nicht das ganze Gj bestanden hat. Ein dauerhafter Bestand der Mutter-Tochter-Beziehung ist daher nicht erforderlich.

Nicht erforderlich ist, dass es sich bei dem übergeordneten MU um das der nächsthöheren Konzernstufe handelt. Die Befreiung nach § 291 HGB gilt somit auch bei einem Gesamt-Konzernabschluss. Damit kann es sich um eine weitere unmittelbare oder mittelbare Mutter-Tochter-Beziehung handeln.

Ob dieses Kriterium nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist oder nach ausländischem Recht des Sitzstaates des übergeordneten MU, ist fraglich. Dabei ist aber zu bedenken, dass die Vorschrift des § 291 HGB EU-Recht in nationales Recht transformiert, so dass m. E. darauf abzustellen ist, ob ein zu befreiendes MU gleichzeitig TU eines übergeordneten MU nach dem für das obere MU geltenden nationalen Recht ist.[1] Bei übergeordneten MU mit Sitz im Inland gilt somit als Beurteilungsmaßstab § 290 HGB. Andernfalls gilt das Recht des jeweiligen Sitzstaates der EU/des EWR. Daraus ergibt sich, dass im Einzelfall eine unterschiedliche Beurteilung je nach Betrachtung möglich ist, so dass z. B. nach ausländischem Recht eine Mutter-Tochter-Beziehung gegeben, während dies nach innerstaatlichem Recht zu verneinen ist. Daneben ist denkbar, dass die Voraussetzungen einer Mutter-Tochter-Beziehung zwar nach den anzuwendenden Konzernrechnungslegungsstandards vorliegen, wohl aber keine entsprechende Beziehung i. S. d. § 291 HGB durch Beherrschung besteht.

 

Praxis-Beispiel 5

U1 ist ohne Beherrschungsmöglichkeit an U2 beteiligt, wobei U1 und U2 inländische Teilkonzerne sind. Allerdings besteht eine faktische Beherrschungsmöglichkeit über die HV-Präsenzmehrheit der U1 bei der U2. Daneben stellt U1 einen IFRS-Konzernabschluss nach § 315e Abs. 1 HGB auf, in der U2 einbezogen wird.

Beurteilung

Durch die Einbeziehung der U2 in den Konzernabschluss der U1 wird den Informationsinteressen der übrigen Anteilseigner der U2 angemessen Rechnung getragen. Daher bejaht der HFA des IDW in einem derartigen Fall die Befreiung nach § 291 HGB, obwohl keine Mutter-Tochter-Beziehung vorliegt.[2]

Hinzuweisen ist, dass sich im Zuge der Annäherung der Anwendungsvoraussetzungen von § 290 HGB i. d. F. BilMoG und von IFRS 10 nur noch geringe Anwendungsfälle ergeben, in denen trotz Fehlen einer Mutter-Tochter-Beziehung gleichwohl eine Befreiung nach § 291 HGB durch bloße Einbeziehung in Betracht kommt.

Das zu befreiende MU kann auch in mehrfacher Hinsicht in einer Mutter-Tochter-Beziehung stehen. So können mehrere übergeordnete MU über die verschiedenen Beherrschungstatbestände des § 290 HGB mit dem zu befreienden MU verbunden sein. Bei einem Gleichordnungskonzern ohne Mutter-Tochter-Beziehung besteht grds. kein Anwendungsfall des § 291 HGB. Wegen der Maßgeblichkeit der nationalen Vorschriften zur Beurteilung einer Mutter-Tochter-Beziehung kann nach der hier vertretenen Auffassung auch ein in Übereinstimmung mit nationalen Regelungen aufgestellter Gleichordnungskonzernabschluss eines in einem anderen EU-/EWR-Staat ansässigen MU geeignet sein, eine Befreiung zu bewirken, auch wenn dies für deutsche Gleichordnungskonzernabschlüsse nicht gilt.

Eine Mutter-Tochter-Beziehung liegt nicht vor, wenn

  • ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 290 HGB freiwillig ein Konzernabschluss aufgestellt wird,[3]
  • die Verbindung in der Form eines Gleichordnungskonzerns eines im Inland ansässigen übergeordneten MU besteht, sofern die Voraussetzungen des § 290 HGB nicht vorliegen,[4]
  • die Verbindung in der Form eines GemeinschaftsUnt besteht oder
  • die Verbindung in der Form eines assoziierten Unt besteht.

Die Vorschrift des § 291 HGB setzt hinsichtlich des den befreienden Konzernabschluss aufstellenden MU wie auch § 290 HGB ein Unt voraus.[5]

Im Unterschied zu § 290 HGB (§ 290 Rz 8) wird hierbei jedoch keine bestimmte Rechtsform für das den befreienden Konzernabschluss aufstellende (übergeordnete) MU gefordert.[6] Aus den Gesetzesmaterialien[7] lässt sich jedoch entnehmen, dass als Bedingung für die Befreiung von der Teilkonzernrechnungslegungspflicht das den befreienden Konzernabschluss aufstellende Unt auch in der Rechtsform einer KapG geführt werden könnte und in diesem Fall zur Konzernrechnungslegung verpflichtet wäre.

 

Rz. 10

Das übergeordnete MU muss seinen Sitz in einem EU-/EWR-Staat haben (§ 291 Abs. 1 Satz 1 HGB). Neben den Staaten der EU sind dies die Staaten des EWR (Island, Liechtenstein, Norwegen). Der Anwendungsbereich des § 291 HGB (Befreiung) erstreckt sich damit aber auch auf Konzernabschlüsse von MU mit Sitz im Inland, da auch diese Unt ihren Sitz in einem EU-Staat (Deutschland) haben.[8] Die Voraussetzung kann ggf. durch Gründung einer Zwischenholding in einem EU/EWR-Staat er...

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