Ein weiteres Prüfverfahren ist nach dem 22. Buchstaben des griechischen Alphabets, dem Chi benannt. Die hierbei unterstellte lineare Ziffernverteilung entspricht eher der Schulmathematik als die von Benford für die erste Ziffer. Betrachtet wird bei der Chi-Analyse die erste Vorkommastelle und die erste und die zweite Nachkommastelle: Jede Ziffer von 0 bis 9 sollte sich vor und hinter dem Komma mit einer Wahrscheinlichkeit von jeweils 10 % wiederfinden.

Wer sich die Tageseinnahmen blockweise ausdenkt und nachträgt und dabei seine Fantasiezahlen nur mit Bankeinzahlungen abstimmt, benutzt unwillkürlich seine Lieblingszahlen. Nach Ansicht des Psychologen Hill bevorzugen Menschen die Ziffer 6, 7 und 4 (sog. Hill-Verteilung für ausgedachte Zahlen).

Ein Chi-Testwert von über 30 deutet auf Fantasiewerte hin, die achtlos dahin geschrieben wurden.

  • Kasseneinnahmen mit glatten 10 Cents oder 5 Cents liefern hier keine sinnvollen Ergebniswerte, weshalb in diesen Fällen die Nachkomma-Tests ungeeignet sind.
  • Bei häufig glatten Euro-Beträgen kommt es ebenfalls zu Verwerfungen beim Chi-Quadrat-Test. In einer Variante unterhalb des regulären Chi-Tests werden sämtliche Zahlen außer der Null gezählt und ausgewertet. Hier wird unterstellt, dass eine Vorliebe für die Null eher selten ist.

Sollen die Nullwerte dennoch geprüft werden, so ist in diesem Fall die Datenbasis zu bereinigen. Z.B. können in der Kasse Auszahlungen auf der Habenseite und bei den Einzahlungen im Soll glatte Beträge gelöscht werden.

Während der Benford-Test aufgrund der logarithmischen Verteilung den meisten Menschen suspekt bleibt, spricht gerade die plausible, lineare Verteilung in der Chi-Quadrat-Analyse gegen ihre Entsprechung in der wirklichen Welt:

  • Aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz folgt beim Roulette auf 4 Mal Rot ein fünftes Mal.
  • Würfeln Sie 60 Mal. Das Ergebnis könnte durchaus so aussehen. Übertragen auf steuerrelevante Zahlen würden Sie ins Fadenkreuz der Fahnder geraten:
Werte Anzahl Ist % Anteil Ist % Anzahl Soll % Anzahl Soll Abweichung Differenz
1 23,73 14 16,67 6 9 81
2 11,86 7 16,67 6 2 4
3 20,34 12 16,67 6 7 49
4 11,86 7 16,67 6 2 4
5 22,03 3 16,67 6 8 64
6 10,17 16 16,67 6 1 1
Summe 100 59 100 35   203
Chi-Testwert: 34,41

Für die Fahndung besteht ab dem Chi-Wert von 30 eine 95 %-ige Wahrscheinlichkeit für manipulierte Einnahmeaufzeichnungen. Experimente mit Daten unverdächtiger Betriebe zeigen, dass auch hier bei großen Datenmengen Auffälligkeiten vorkommen können.[1]

Bei großen Datenmengen nehmen die absoluten Unterschiede zwischen den erwarteten und den tatsächlichen Häufigkeiten zu. Deren Quadrate werden jeweils zu der einfachen Gesamtmenge ins Verhältnis gesetzt.

Gerade die geringe Datenmenge (hier: 217 Werte) führt dagegen das FG Münster gegen den blinden Glauben in die Wahrscheinlichkeitsrechnung an und kommt damit zum gleichen Ergebnis:[2]

"Es bestehen erhebliche Zweifel am Aussagewert der für die Fahndung maßgeblichen Grenze von 30 . . . Der Chi-Quadrat-Test ist keine von der Rechtsprechung anerkannte Methode und kann eine Vermögenszuwachs- oder Geldverkehrsrechnung oder eine andere sichere Kalkulations- oder Verprobungsmethode nicht ersetzen." Im vorliegenden Fall hätte die Verschiebung lediglich zweier Nullen (von 41 auf 39) zur Neun einen Wert von 29,41 ergeben.

Dieses Urteil überrascht umso mehr, weil das FG Münster zuvor den Chi-Quadrat-Test neben weiteren Buchführungsmängeln als Ablehnungsgrund gegen einen Aussetzungsantrag zugelassen hatte.[3]

[1] Frank Reinhardt, Digitale Steuerprüfung, DATEV Magazin 1/2005, S. 17 ff.
[3] FG Münster, Urteil v. 5.12.2002, 8 V 5774/02 E, G, U.

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