Leitsatz

Hat ein Unternehmer innergemeinschaftliche Lieferungen i.S.d. § 6a Abs. 1 UStG 1999 ausgeführt und den nach § 6a Abs. 3 Satz 2 UStG 1999, § 17c UStDV 1999 erforderlichen Buchnachweis rechtzeitig und vollständig erbracht, kann der nach § 17a UStDV 1999 erforderliche Belegnachweis bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG nachgeholt werden.

 

Normenkette

§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1, Abs. 3, § 14 Abs. 2, § 14a Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 3, § 25a UStG 1999, § 17a, § 17c, § 31 Abs. 5 UStDV 1999, Art. 22 Abs. 3 Buchst. a Satz 2, Buchst. b, Abs. 8, Art. 26a Teil B, Teil D Buchst. b und c, Art. 28a Abs. 1 Buchst. a, Art. 28c Teil A Abs. 1 Buchst. a, Art. 28h der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Der Kläger lieferte (buchmäßig nachgewiesen) gebrauchte Kfz nach Italien. In den Rechnungen an die Abnehmer (jeweils mit beiden USt-Id-Nr. versehen) wies er keine USt gesondert aus und vermerkte "Verkauf nach Art. 25a". Die Abnehmer wandten die Differenzbesteuerung nach italienischem Recht an.

Der Kläger selbst machte die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen geltend. Das FA behandelte die Lieferungen als steuerpflichtig, weil die Abnehmer die Lieferungen nicht als innergemeinschaftlichen Erwerb versteuert hatten. Die Klage hatte keinen Erfolg. Die im Klageverfahren berichtigten Rechnungen berücksichtigte das FG nicht mit der Begründung, die Berichtigung wirke nicht zurück.

 

Entscheidung

Die Revision hatte Erfolg. § 14 Abs. 2 UStG 1999 (jetzt § 14c Abs. 1) – der eine "rückwirkende" Berücksichtigung der berichtigten Rechnung im Ergebnis hindern würde – lag nicht vor, weil der Kläger in ursprünglichen Rechnungen keine USt ausgewiesen hatte.

 

Hinweis

1. Eine innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 UStG) liegt u.a. dann vor, wenn

  • der Unternehmer oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat,
  • der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat und
  • der Erwerb des Gegenstands der Lieferung beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der USt unterliegt.

Der innergemeinschaftlichen Lieferung korrespondiert ein innergemeinschaftlicher Erwerb (vgl. Art. 28 Abs. 1 Buchst. a der 6. EG-RL).

2. Wird eine Lieferung im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeführt, ist die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung ausgeschlossen (vgl. Art. 26a Teil D Buchst. c der 6. EG-RL, § 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG). Folglich unterliegt auch der innergemeinschaftliche Erwerb nicht der USt (Art. 26a Teil D Buchst. b der 6. EG-RL; vgl. § 25a Abs. 7 Nr. 2 UStG).

3. Die Anwendung der Differenzbesteuerung ist aber nach Art. 26a Teil B Abs. 2 der 6. EG-RL (vgl. § 25a Abs. 1 Nr. 2 UStG) ausgeschlossen, wenn der Veräußerer die Gegenstände von anderen Unternehmern steuerpflichtig erworben und aus den Eingangsrechnungen den Vorsteuerabzug vorgenommen hat.

Beachten Sie: Nicht nur für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung, sondern auch für den Ausschluss der Differenzbesteuerung spielt es keine Rolle, ob die Besteuerung als innergemeinschaftlichen Erwerb im anderen Mitgliedstaat tatsächlich durchgeführt worden ist.

4. Liegen die Voraussetzungen für einen innergemeinschaftlichen Erwerb tatsächlich vor, kann der Steuerpflichtige den Belegnachweis nachholen.

Die Mitgliedstaaten dürfen zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung und zur Verhütung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung und Missbrauch Bedingungen für die Steuerbefreiung festlegen (Art. 28c Teil A Buchst. a der 6. EG-RL).

Der Unternehmer muss die innergemeinschaftliche Lieferung nicht nur – wie im besprochenen Fall – buchmäßig (§ 17c UStDV) und belegmäßig (§ 17a UStDV) nachweisen.

§ 17a Abs. 2 konkretisiert zwar den Belegnachweis; § 17a Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 UStG (Doppel einer Rechnung i.S.d. § 14, 14a UStG)sind aber Sollvorschriften; es genügt deshalb, wenn der Unternehmer den Belegnachweis – abweichend von § 17a Abs. 2 bis 4 UStDV – durch andere Belege mit einer gleichwertigen Aussagekraft die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 und 2 UStG eindeutig und leicht nachprüfbar – wie § 17a Abs. 1 UStG unbedingt fordert – führen kann.

Solange der Belegnachweis nicht geführt ist, kann allerdings eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht als steuerfrei behandelt werden.

5. Der bei Ausfuhr- und innergemeinschaftlichen Lieferungen erforderliche Belegnachweis kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem FG nachgeholt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.3.2006, V R 47/03

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