Leitsatz

Ein inländischer Wohnsitz kann auch durch eine Standby-Wohnung begründet werden.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist Flugbegleiterin und hatte ihren Hauptwohnsitz in der Schweiz zusammen mit ihrem Mann. Ab August 2004 mietete die Klägerin in der Nähe ihres Einsatzflughafens Frankfurt eine kleine Wohnung, die als sogenannte Standby-Wohnung genutzt wurde, da sie nach ihrem Arbeitsvertrag eine Übernachtungsmöglichkeit im Umkreis von 50 Kilometern zum Flughafen aufweisen musste. Im Schnitt verbrachte sie 2 bis 3 Nächte pro Monat in der Wohnung. Anders nutzte sie die Wohnung nicht. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, durch die Wohnung sei ein inländischer Wohnsitz begründet, so dass die Klägerin unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei. Über diese Frage kam es zu einem gerichtlichen Verfahren.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht wies die Klage als unbegründet ab. Die Gründe, warum die Klägerin die Wohnung angemietet habe, seien unerheblich. Für eine Anwendung des § 8 AO seien allein die objektiven Kriterien entscheidend. Demnach habe die Klägerin unter Umständen, die den Schluss zuließen, dass sie diese für eigene Zwecke nutze, eine Wohnung im Inland innegehabt. Mit der Nutzung eines Hotelzimmers sei dies nicht vergleichbar.

 

Hinweis

Die Entscheidung erscheint zutreffend, da es für die Begründung eines inländischen Wohnsitzes allein auf die objektiven Kriterien ankommt. Warum jemand im Inland eine Wohnung hat, ist unerheblich. Zu verkennen ist dabei nicht, dass die Rechtsprechung zur Frage, wann jemand eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung behalten und benutzen will, sehr kasuistisch ist. Von zentraler Bedeutung ist dabei, ob der Steuerpflichtige die Wohnung ständig oder regelmäßig nutzt [1]. Zeitliche Grenzen gibt es hierbei nach Ansicht des BFH nicht [2]. Dies hat zur Folge, dass stets anhand der Kriterien des Einzelfalles eine Entscheidung zu treffen ist, ob eine Wohnung besteht oder nicht [3]. Hiernach war es wohl zutreffend, dass die Klägerin eine Wohnung im Inland hatte, da sie andere von der Nutzung der Wohnung, die sie angemietet hatte, ausschließen konnte. Anders wäre die Rechtslage wohl zu beurteilen gewesen, wenn sie in einem Hotelzimmer übernachtet hätte. Für den steuerlichen Berater, der mit Sachverhalten wie dem hier entschiedenen konfrontiert wird, bedeutet dies, dass höchste Vorsicht geboten ist.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Finanzgericht die Revision zugelassen. Diese ist beim BFH unter dem Aktenzeichen IV R 10/11 anhängig.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 13.12.2010, 3 K 1060/09

[1] vgl. Kruse, in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 8 AO Tz. 6
[2] BFH, Urteil v. 19.3.1997, BStBl 1997 II S. 447
[3] Kruse, in Tipke/Kruse, AO und FGO, § 8 AO Tz. 6b

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