2.1 Sachverhalt

Der Bauunternehmer B hat den Auftrag übernommen, für ein zweigeschossiges Verwaltungsgebäude den Rohbau zu errichten. In dem Bauvertrag ist geregelt, dass nach Fertigstellung der Decke über dem Erdgeschoss ein Abschlag i. H. v. – netto – 150.000 EUR fällig wird. Die Schlussrechnung soll nach Abnahme des Rohbaus erstellt werden.

Im November 2017 erstellte B gegenüber seinem Auftraggeber vereinbarungsgemäß die folgende Anzahlungsrechnung (auszugsweise):

 
  Anzahlung Rohbau für Verwaltungsgebäude 150.000 EUR  
  zuzüglich 19 % Umsatzsteuer 28.500 EUR  
  Gesamtbetrag 178.500 EUR  

Unter Abzug eines Sicherheitseinbehalts i. H. v. 10 % überwies der Auftraggeber im Dezember 2017 einen Betrag i. H. v. 160.650 EUR an B.

Nachdem der Rohbau Ende März 2018 vom Leistungsempfänger abgenommen war, erstellte B Anfang April 2018 die folgende Rechnung (auszugsweise):

 
  Rohbau für Verwaltungsgebäude 400.000 EUR  
  zuzüglich 19 % Umsatzsteuer 76.000 EUR  
  Gesamtbetrag 476.000 EUR  
  abzüglich Auszahlung der Anzahlung 160.650 EUR  
  Restbetrag 315.350 EUR  

Im April 2018 überweist der Auftraggeber dem B unter Zurückbehaltung eines Sicherheitseinbehalts i. H. v. 5 % einen Betrag i. H. v. 291.550 EUR (291.550 EUR + 160.650 EUR = 452.200 EUR, also 95 % des Gesamtbetrags von 476.000 EUR). Eine Auszahlung des Sicherheitseinbehalts wäre bei Stellung einer Bankbürgschaft möglich, die Hausbank des B ist aber aufgrund wirtschaftlicher Probleme bei B nicht bereit, eine solche Bürgschaft zu stellen, sodass der Sicherheitseinbehalt erst nach 5 Jahren (2023) auszuzahlen ist.

2.2 Fragestellung

Wann und in welcher Höhe entsteht für den Bauunternehmer B Umsatzsteuer aus dieser Leistung? Es ist davon auszugehen, dass B seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten nach § 16 Abs. 1 UStG versteuert (Sollversteuerung).

Wann kann der Leistungsempfänger aus der erhaltenen Leistung einen Vorsteuerabzug in welcher Höhe vornehmen? Es ist dabei davon auszugehen, dass keine Beschränkung der Vorsteuerabzugsberechtigung nach § 15 Abs. 2 UStG vorliegt, der Leistungsempfänger also keine steuerfreien Umsätze mit dem Bau plant.

2.3 Lösung

Umsatzsteuer für den leistenden Unternehmer

Bauunternehmer B erbringt mit der Errichtung des Rohbaus eine Werklieferung nach § 3 Abs. 4 UStG, da davon auszugehen ist, dass er bei der Errichtung des Gebäudes auch selbstbeschaffte Materialien verwendet. Die Werklieferung ist nach § 3 Abs. 5a UStG i. V. m. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet, annahmegemäß hier im Inland. Damit ist die Leistung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine Steuerbefreiung nach § 4 UStG liegt nicht vor.

Grundsätzlich entsteht die Umsatzsteuer bei der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten nach § 13 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung ausgeführt wurde, hier also mit Abnahme des Werks im März 2018. Bei Aufträgen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, ist jedoch zu prüfen, ob evtl. Teilleistungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und Satz 3 UStG ausgeführt worden sind.

Teilleistungen setzen danach voraus, dass es sich zum einen um eine wirtschaftlich sinnvoll teilbare Leistung sowie zum anderen um gesondert geschuldete Leistungen handelt. Beide Voraussetzungen liegen bei der Abrechnung über eine Anzahlung für eine Etage eines Rohbaus nicht vor. Somit ist mit Fertigstellung der Decke über dem Erdgeschoss keine Teilleistung ausgeführt worden.

 
Praxis-Tipp

Teilleistungen setzen Vereinbarung und wirtschaftliche Trennbarkeit voraus

Eine Teilleistung setzt zum einen voraus, dass es sich überhaupt um eine wirtschaftlich teilbare Leistung handelt. Diese Voraussetzung ist anhand von objektiven Kriterien zu prüfen, steht somit nicht in der Vertragsfreiheit der Vertragsparteien. Zum anderen ist notwendige Voraussetzung, dass – bei Vorliegen der wirtschaftlichen Teilbarkeit – die Vertragsparteien auch eine Vereinbarung über die Ausführung von Teilleistungen getroffen haben und diese Vereinbarung dann auch so umgesetzt wurde. Dies ist immer anhand der individuellen vertraglichen Vereinbarungen zu prüfen.

Liegen danach Teilleistungen vor, entsteht die Umsatzsteuer unabhängig von der Zahlung bei der Sollversteuerung mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Teilleistung ausgeführt wurde.

Allerdings berechnet und erhält B von seinem Auftraggeber eine Anzahlung. Soweit der leistende Unternehmer vor Ausführung seiner Leistung eine Anzahlung vereinnahmt, entsteht insoweit die Umsatzsteuer mit Zahlungszufluss.[1]

Die Ausstellung der Anzahlungsrechnung im November 2017 ist allerdings für die Entstehung der Umsatzsteuer unerheblich. Da B im Dezember 2017 insgesamt 160.650 EUR ausgezahlt werden, ist aus diesem Betrag die Umsatzsteuer mit 19 % herauszurechnen. Die Bemessungsgrundlage für die Anzahlung nach § 10 Abs. 1 UStG beträgt damit 135.000 EUR und die für den Voranmeldungszeitraum Dezember 2017 anzumeldende Umsatzsteuer 25.650 EUR. Aufgrund welcher Verei...

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