Leitsatz

Übersteigen die Ausschüttungen aus dem EK 04 (Eigenkapital der GmbH, das aus Einlagen der Gesellschafter stammt) einer Kapitalgesellschaft die Anschaffungskosten einer Beteiligung i. S. v. § 17 EStG, sind in Höhe des übersteigenden Betrages negative → Anschaffungskosten anzusetzen.

Zum Sachverhalt (vereinfacht): Der Kläger war wesentlich an der T-GmbH beteiligt. Die Beteiligung hielt er in seinem Privatvermögen. Die T-GmbH nahm in den Jahren 1985 bis 1986 Ausschüttungen aus dem EK 04 in Höhe von ca. 25 Mio. DM an den Kläger vor, welche die Höhe der Anschaffungskosten des Klägers für die Beteiligung um rd. 21 Mio. DM überstiegen. Im Streitjahr 1988 veräußerte der Kläger die Beteiligung an der T-GmbH. Das Finanzamt stellte dem erzielten Veräußerungspreis (5.000 DM) negative Anschaffungskosten in Höhe von rd. 21 Mio. DM gegenüber und gelangte so zu einem → Veräußerungsgewinn i. S. v. § 17 EStG von rd. 21 Mio. DM. Klage und Revision des Klägers blieben erfolglos.

Die Ausschüttungen der T-GmbH sind, soweit sie aus dem EK 04 stammen und die vom Kläger aufgewendeten Anschaffungskosten für die Beteiligung übersteigen, im Streitjahr 1988 als Veräußerungsgewinn i. S. v. § 17 Abs. 1 und 2 EStG zu versteuern. Die Ausschüttungen der T-GmbH waren nicht bereits in den Jahren 1983, 1984 und 1986 als Einnahmen bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen zu erfassen. Ausschüttungen, für die EK 04 als verwendet gilt, gehören gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1987 nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen. Das gilt auch für Ausschüttungen an wesentlich Beteiligte (BFH, Urteil v. 19. 7. 1994, VIII R 58/92, BStBl 1995 II S. 362). Die Ausschüttungen aus dem EK 04 können auch dann nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen erfasst werden, wenn sie nicht mehr mit den Anschaffungskosten für die Beteiligung verrechnet werden können, weil sie diese übersteigen. Eine Ausschüttung aus dem EK 04 hat im Rahmen der Besteuerung des Veräußerungsgewinns nach § 17 EStG stets eine Minderung der Anschaffungskosten zur Folge, und zwar auch dann, wenn der Betrag der Anschaffungskosten dadurch negativ wird. Alle beim Gesellschafter eintretenden Vermögensmehrungen, die die Anschaffungskosten der Beteiligung übersteigen, sind als „Beteiligungsertrag” zu erfassen. Erfolgsneutral sind sie nur insoweit, als sie mit den vom Gesellschafter aufgewendeten Anschaffungskosten verrechnet werden können. Im Unterschied zu dem in einem → Betriebsvermögen anfallenden Beteiligungsertrag, der mit einkommensteuerrechtlicher Wirkung bereits im Zeitpunkt der Ausschüttung zu erfassen ist, unterliegt die im Privatvermögen des Gesellschafters eintretende Vermögensmehrung allerdings erst im Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligung oder bei Verwirklichung einer der übrigen in § 17 EStG genannten Realisationstatbestände der Besteuerung. Die durch die Ausschüttung eintretende Vermögensmehrung ist deshalb bis zur Erfüllung aller Tatbestandsmerkmale des § 17 EStG erfolgsneutral zu halten. Das geschieht mit Hilfe des Ansatzes „negativer Anschaffungskosten”. Dieser Merkposten stellt sicher, dass die stillen Reserven der Beteiligung im Zeitpunkt der Realisierung des Veräußerungsgewinns vollständig versteuert werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.04.1999, VIII R 44/96

Anmerkung

Sowohl im obigen Urteil als auch im Fall VIII R 38/96 handelte es sich um Ausschüttungen aus dem sog. EK 04, welche die Höhe der Anschaffungskosten für die (wesentlichen) Beteiligungen überstiegen. Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Fällen bestand nur darin, dass im Fall VIII R 38/96 die Beteiligung zum Betriebsvermögen und im Fall VIII R 44/96 zum Privatvermögen des Anteilseigners gehörte.

Bei der im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung nahm der BFH in Höhe der die aktivierten Anschaffungskosten übersteigenden Ausschüttung einen sofort zu erfassenden Ertrag an. Dieser Entscheidung war bereits durch das BFH-Urteil v. 14. 10. 1992, I R 1/91, BStBl 1993 II S.189 der Weg bereitet worden. Dort hatte der BFH zu der im Zuge der Kapitalherabsetzung erfolgten Rückzahlung von Nennkapital entschieden, dass ein steuerbarer Gewinn entstehe, soweit diese Rückzahlung den Buchwert der Beteiligung überschreite. Es ist folgerichtig, die Rückzahlung von EK 04 und von Nennkapital gleichzubehandeln. In beiden Fällen handelt es sich um die Rückzahlung von Eigenkapital der Gesellschaft an den Gesellschafter.

Anders als im Fall VIII R 38/96 stand im Fall VIII R 44/96 einer sofortigen Erfassung eines Veräußerungsgewinns i. S. von § 17 EStG i. H. der die Anschaffungskosten übersteigenden Ausschüttung aus dem EK 04 der Gesichtspunkt entgegen, dass einer der in § 17 EStG a. F. abschließend genannten Realisationstatbestände nicht erfüllt war. Hier musste deshalb der durch die EK 04-Ausschüttung erzielte Ertrag auf den Zeitpunkt projiziert (vorverlagert) werden, in dem ein solcher Realisationstatbestand erfüllt wurde.

Erst durch die im Streitfall VIII R 44/96 noch nicht anwendbare Neufassung des ...

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