Leitsatz

Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung ergeben sich jedenfalls insoweit verfassungsrechtliche Bedenken, als § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG a.F. nicht einmal einen überperiodischen Verlustabzug innerhalb derselben Einkunftsart zulässt und die ab dem Veranlagungszeitraum 1999 erfolgte Neuregelung des Verlustausgleichs bei privaten Veräußerungsgeschäften i.S. von § 23 EStG, die dies vorsieht, ohne sachlichen Grund nicht auch auf die offenen Altfälle erstreckt worden ist.

 

Normenkette

§ 23 Abs. 3 Satz 4 EStG, § 69 FGO, Art. 3 GG

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige erzielte im Streitjahr 1997 einen Spekulationsgewinn von rd. 200000 DM und in 1998 einen Spekulationsverlust von rd. 400000 DM. Er beantragte, diesen Verlust im Weg des Verlustrücktrags in 1997 zu berücksichtigen. Das FA lehnte dies unter Hinweis auf § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG i.d.F. bis 1998 ab. Nach der bis 1998 geltenden Fassung waren Verluste aus Spekulationsgeschäften nur mit Spekulationsgewinnen des Steuerpflichtigen im gleichen Kalenderjahr ausgleichbar. Ein überperiodischer Verlustausgleich innerhalb derselben Einkunftsart war ausgeschlossen.

Dieser generelle Ausschluss wurde durch das StEntlG 1999 im Anschluss an die Rechtsprechung des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit der Beschränkung des Verlustausgleichs nach § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG i.d.F. bis 1998 und an die Einführung des Verlustausgleichs nach § 22 Nr. 3 Satz 4 n.F. (bei den sonstigen Einkünften) ab 1999 auch für Spekulationsverluste i.S. von § 23 EStG ab 1999 aufgehoben. Verluste aus Spekulationsgeschäften mindern nunmehr entsprechende Veräußerungsgewinne aus dem Vorjahr und in späteren Jahren.

Der Steuerpflichtige berief sich auf die Verfassungswidrigkeit der Regelung für die Altfälle und beantragte die AdV, die das FA ablehnte, aber das FG gewährte. Über die Klage ist noch nicht entschieden.

 

Entscheidung

Der BFH schloss sich den verfassungsrechtlichen Zweifeln des FG am Ausschluss des überperiodischen Verlustausgleichs bei Spekulationsgeschäften an und wies die Beschwerde des FA gegen den die AdV gewährenden Beschluss des FG zurück.

Der Senat lässt offen, ob die Beschränkung des Verlustausgleichs insgesamt verfassungswidrig sei und die Verfassungswidrigkeit zu einem Verlustausgleich nach den allgemeinen Bestimmungen, also über die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften hinaus, führen könnte. Verfassungsrechtliche Zweifel beständen jedenfalls deshalb, weil nach der früheren Regelung nicht einmal ein überperiodischer Verlustausgleich innerhalb derselben Einkunftsart zulässig war.

Ein Gleichheitsverstoß liege auch deshalb nahe, weil die Neuregelung ohne sachlichen Grund nicht auch auf die Altfälle erstreckt worden sei. Der Gesetzgeber sei im Gesetzgebungsverfahren selbst von der Notwendigkeit einer Anpassung des § 23 EStG als Reaktion auf die Entscheidung des BVerfG zu § 22 Nr. 3 (BVerfG vom 30.9.1998, 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88) ausgegangen. Aus unerfindlichen Gründen sei die Ausdehnung auf noch offene Altfälle aber unterblieben.

 

Hinweis

Die Entscheidung ist im AdV-Verfahren, somit nach nur summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage ergangen. Bei verfassungsrechtlichen Zweifeln ist der BFH bei der Gewährung von AdV regelmäßig zurückhaltend. Denn nicht jede Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes zieht die Unwirksamkeit nach sich. Vielfach kommt nur eine Neuregelung für die Zukunft oder eine Übergangsregelung in Betracht.

Im Streitfall ist die AdV-Gewährung durch den BFH daher ein deutliches Zeichen dafür, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken nach Meinung des Senats auch zu Konsequenzen für die Altfälle führen werden. Letztendlich wird das BVerfG über die Frage zu entscheiden haben – entweder über eine Verfassungsbeschwerde oder eine Richtervorlage nach Art. 100 GG. Bis dahin sind die Fälle des verweigerten Verlustausgleichs offen zu halten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 15.12.2000, IX B 128/99

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