Leitsatz

1. Eine Rückzahlung i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG liegt auch dann vor, wenn eine GmbH eine Verbindlichkeit gegenüber einem Gesellschafter dadurch erfüllt, dass sie mit einer ihr zustehenden Gegenforderung aufrechnet.

2. Der Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG in der bis zum JStG 2020 geltenden Fassung ist nicht davon abhängig, dass die Erfüllung der Verbindlichkeit der GmbH bei dieser einen gewinnwirksamen Aufwand auslöst.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 und Satz 2, § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG 2013

 

Sachverhalt

Der Kläger war mit 50 % an der M‐GmbH beteiligt. Im Jahr 2009 erwarb er von dem Gesellschafter S weitere 50 % der Geschäftsanteile an der M‐GmbH sowie eine Forderung aus einem Gesellschafterdarlehen i.H.v. 79.684,76 EUR. Der für die Forderung zu zahlende Kaufpreis belief sich auf 1 EUR. Zum 31.12.2013 erlosch die Darlehensforderung des Klägers, die zu diesem Zeitpunkt weiterhin i.H.v. 79.684,76 EUR valutierte, durch Aufrechnung der M‐GmbH mit einer ihr gegenüber dem Kläger in gleicher Höhe zustehenden Forderung.

In der ESt--Erklärung für das Streitjahr 2013 erklärte der Kläger aus seiner Beteiligung an der M‐GmbH ausschließlich laufende Kapitalerträge i.H.v. 2.701 EUR, die der tariflichen ESt unterlagen. Dagegen vertrat das FA die Auffassung, dass der Kläger aufgrund der Verrechnung der Forderungen zum 31.12.2013 einen Veräußerungsgewinn i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.H.v. 79.683 EUR erzielt hatte, der nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG der tariflichen ESt unterliegt. Es setzte die ESt entsprechend fest. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.2019, 5 K 873/18).

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Bei dem Darlehensanspruch des Klägers gegen die M‐GmbH handelt es sich um eine sonstige Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Kläger das Darlehen nicht selbst an die M‐GmbH ausgereicht hat, sondern den Rückzahlungsanspruch im Wege der Abtretung von S als Darlehensgeber erworben hat.

2. Auch eine erworbene Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist Gegenstand des Besteuerungstatbestands gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 2 EStG. Die Aufrechnung der M‐GmbH gegen die Forderung des Klägers aus § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG mit einer ihr gegenüber dem Kläger zustehenden Gegenforderung erfüllt den Tatbestand der Rückzahlung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Begriff der Rückzahlung ist weit auszulegen. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG erfasst nicht nur die vertragsgemäße Rückzahlung des geschuldeten Kapitalbetrags bei Fälligkeit durch den Schuldner, sondern auch andere Fälle der zivilrechtlichen Erfüllung der Kapitalforderung. Der Aufrechnung kommt insofern die Funktion eines Erfüllungssurrogats zu. Sie steht damit der Erfüllung durch Zahlung des geschuldeten Kapitalbetrags durch den Schuldner (§ 362 Abs. 1 BGB) gleich.

3. Der Gewinn, den der Kläger aus der Aufrechnung erzielt hat, berechnet sich nach § 20 Abs. 4 EStG. Dies folgt aus der Gleichstellung der Rückzahlung und folglich der Aufrechnung mit dem Tatbestand der Veräußerung. Gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist der Gewinn i.S.d. Abs. 2 der Unterschiedsbetrag zwischen den Einnahmen aus der Veräußerung nach Abzug der Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen, und den Anschaffungskosten.

4. Danach hat der Kläger einen Rückzahlungsgewinn i.S.d. § 20 Abs. 4 EStG i.H.v. 79.683 EUR erzielt. Für den Erwerb seiner Forderung gegenüber der M‐GmbH waren dem Kläger Anschaffungskosten i.H.v. 1 EUR entstanden. Infolge der Aufrechnung erzielte der Kläger eine "Einnahme" i.S.d. § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG in Gestalt der Befreiung von seiner Verbindlichkeit gegenüber der M‐GmbH im Nennwert von 79.684 EUR.

5. Dieser Gewinn unterliegt der tariflichen ESt nach § 32a EStG, da die Anwendung des gesonderten Tarifs nach § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG ausgeschlossen ist. Denn die Kapitalerträge wurden von einer Kapitalgesellschaft gezahlt, an der der Kläger im Streitjahr zu mindestens 10 % beteiligt war. Für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals "gezahlt" i.S.d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG genügt es, dass die Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dem Gesellschafter von der Kapitalgesellschaft zivilrechtlich geschuldet werden und die Kapitalgesellschaft die Forderung des Gesellschafters – wie hier durch Aufrechnung mit einer eigenen Forderung gegenüber der Gesellschafterforderung – erfüllt.

6. Die Regelung des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b EStG i.d.F. des Streitjahres 2013 setzt nicht voraus, dass die Zahlung der Kapitalerträge durch die Kapitalgesellschaft auf Ebene der Gesellschaft zu Betriebsausgaben führt. Diese Tatbestandsvoraussetzung für den Ausschluss des Abgeltungsteuertarifs wurde erst durch das JStG 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) eingeführt. Sie ist auf Kap...

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