Leitsatz

1. Nach deutschem Steuerrecht bestehen für vGA keine speziellen Aufzeichnungs- oder Dokumentationspflichten. Es bestehen allerdings die allgemeinen Auskunftspflichten (§ 93, § 200 AO), die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden (§ 97, § 200 AO) und ggf. auch die erhöhten Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 2 AO.

2. Eine Dokumentation dient lediglich dem Nachweis, dass der Steuerpflichtige sich bei der Festsetzung seines Verrechnungspreises von Überlegungen leiten ließ, die auch ein fremder Dritter angestellt hätte. Sie erlaubt nur in Grenzen den Rückschluss auf die Unangemessenheit des tatsächlich angesetzten Preises. In keinem Fall dient sie dem Nachweis des angemessenen Fremdvergleichspreises der Höhe nach.

3. Eine inländische Tochtergesellschaft hat regelmäßig keine Möglichkeit, Kalkulationsunterlagen ihrer ausländischen Muttergesellschaft zu beschaffen. Die Nichtbeschaffung löst deshalb nicht die Rechtsfolge des § 90 Abs. 2 AO aus.

 

Normenkette

§ 90 Abs. 2 AO , § 93 AO , § 97 AO , § 162 AO , § 200 AO , § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG

 

Sachverhalt

Der Sachverhalt ergibt sich in Grundzügen bereits aus den Praxis-Hinweisen. Das FA wollte sich nicht mit der normalen Beweislastregelung bei dem "Verdacht" einer vGA abfinden, sondern diese partiell der Steuerpflichtigen aufbürden. Diese habe nicht dargetan, nach welcher Methode sie ihre Verrechnungspreise gebildet und welche Umstände hierbei berücksichtigt worden seien. Sie habe auch keine Prognoserechnung darüber vorgelegt, ab wann sie mit einem Totalgewinn gerechnet habe. Folglich könne die Vollziehung der ergangenen Steuerbescheide allenfalls gegen Sicherheitsleistung ausgesetzt werden.

 

Entscheidung

Der Senatsvorsitzende hat im Eilverfahren gem. § 69 Abs. 3 Satz 5 FGO allein entschieden und dem AdV-Antrag gegen Anordnung einer Sicherheitsleistung entsprochen. Eine Rechtsgrundlage für die umfassenden Nachweise und Dokumentationen, die das FA verlange, sei nicht gegeben.

 

Hinweis

Es handelt sich um den – jedenfalls für den BFH – seltenen Fall einer Vorsitzenden-(Eil-)Entscheidung über einen beim BFH angebrachten AdV-Antrag. Die Zuständigkeit des BFH folgt daraus, dass dort bereits die Revision (Az. I R 103/00, Vorinstanz FG Düsseldorf, Urteil vom 8.12.1998, DStRE 1999, 787) anhängig war, als das FA die AdV verweigerte.

In der Sache geht es um die Höhe von hinzugeschätzten Beträgen im Rahmen der Berichtigung von internationalen Verrechnungspreisen. Das FA ist der Ansicht, die von der Antragstellerin an ihr nahe stehende Unternehmen gezahlten Lizenzen seien vGA, weil zu geringe Gewinnmargen berechnet worden seien. Das alles ist Einzelfallsache und für Sie nicht übermäßig interessant.

Wichtig sind aber die dazu im Rahmen des AdV-Verfahrens gemachten Ausführungen zur Beweislast und zur Nachweispflicht bei dem Vorwurf einer vGA:

1. Die objektive Beweis- oder Feststellungslast für eine vGA liegt beim FA. Sachaufklärungsmängel gingen zu dessen Lasten. Ein schönes Beispiel für diese Rechtsfolge bot das Ihnen erst kürzlich vorgestellte (amtlich nicht veröffentlichte) Urteil des BFH vom 9.8.2000, I R 82/99 (BFH-PR 2001, 18) zur Behandlung von Kassenfehlbeständen als vGA.

2. Naturgemäß können sich diese Lasten reduzieren, wenn der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nicht ordnungsgemäß nachkommt. Diese Pflichten können bei Auslandssachverhalten erhöht sein (§ 90 Abs. 2 AO).

3. Allerdings: Bei Sachverhalten, die ggf. "vGA-verdächtig" sind, mögen etwaige Dokumentationen sinnvoll sein, um Überlegungen zur Handlungsweise des Steuerpflichtigen plausibel zu machen. Das heißt aber nicht, dass er in diesem Bereich besonderen Nachweis- und Dokumentationspflichten unterworfen wäre. Vor allem kann man ihm nicht abverlangen, Kalkulationsunterlagen einer ausländischen Muttergesellschaft beizubringen. Damit würde § 90 Abs. 2 AO als denkbare Rechtsgrundlage überspannt.

Namentlich dieser letzten Äußerung kommt praktische Bedeutung zu, weil sie den vGA-üblichen (matriell-rechtlichen) Fremdvergleich auf die verfahrensrechtliche Ebene im Verhältnis zum FA überträgt: Unabhängige Vertragspartner wären kaum bereit, ihre wechselseitig erzielten Gewinne dem jeweils anderen Vertragspartner mitzuteilen. Was aber unter fremden Dritten gilt, muss auch unter einander Nahestehenden gelten.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 10.5.2001, I S 3/01

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