Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu Lasten der Insolvenzmasse bei Erklärung der Freigabe gem. § 35 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO)

 

Normenkette

InsO § 35 Abs. 2

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EUR 5.319,06 festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin war im Betrieb der „Fa. R. B.” gegen ein monatliches Bruttoentgelt von 1.773,02 EUR tätig.

Am 15.09.2009 wurde über das Vermögen des Herrn B. das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 25.09.2009 bekam die Klägerin ein Kind und befindet sich seit dem in der Elternzeit.

Mit Schreiben vom 11.01.2010 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er gem. §35 Abs. 2 InsO den Geschäftsbetrieb des Herrn B. freigegeben habe und er deshalb davon ausgehe, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin von der Freigabe erfasst sei und damit kein Arbeitsvertrag zu Lasten der Insolvenzmasse, sondern mit Herrn B. bestehe. Rein vorsorglich kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 28.02.2010 und begründete die Kündigung mit dem Vorliegen von betriebsbedingten Gründen (vgl. im Einzelnen Kopie d. Schreibens Bl. 11, 12 d.A.).

Mit der vorliegenden, bei Gericht am 08.02.2010 eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen diese Kündigung und macht die Unwirksamkeit der Kündigung gem. §18 BEGG wegen fehlender Zustimmung der zuständigen Behörde geltend. Außerdem ist sie der Ansicht, dass sie mit dem Beklagten in seiner Funktion als Insolvenzverwalter in einem Rechtsverhältnis stehe.

Die Klägerin beantragt,

  1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 11.01.2010 beendet worden ist;
  2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungsgründe aufgelöst worden ist und über den 28.02.2010 hinaus ungekündigt fortbesteht.

Der Beklagte ist der Ansicht, mit der Freigabeerklärung gem. §35 Abs. 2 InsO, die entsprechend den gesetzlichen Vorschriften gem. §35 Abs. 3 InsO unter www.Insolvenzbekanntmachungen.de bekannt gemacht worden sei (vgl. Auszug der Internet-Seite Bl. 24 d.A.), würden auch Arbeitsverhältnisse zum Insolvenzverwalter ohne weiteres enden. Mit der Neufassung des §35 InsO mit Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 509) habe der Gesetzgeber die Freigabebefugnisse eines Insolvenzverwalters erheblich ausgeweitet, Die Neufassung betreffe Insolvenzverfahren beruflich selbständiger natürlicher Personen, die ab dem 01.07.2007 eröffnet worden seien (Art. 103 c EGInsO). Neu geregelt seien die Absätze 2 und 3 des §35 InsO. Der Insolvenzverwalter könne sich jetzt infolge übergeordneter Masseschutzerwägungen auch unmittelbar aus Dauerschuldverhältnissen und der Bindung des §108 InsO – anders als früher – sofort unter bestimmten Voraussetzungen herauslösen. Der Gesetzgeber habe diesbezüglich im Gesetzgebungsverfahren stets bekräftigt, die neue Regelung ermögliche – vergleichbar §109 Abs. 1 S. 2 InsO – eine komplette Freigabe allen Vermögens, das der gewerblichen Tätigkeit gewidmet sei, einschließlich aller Vertragsverhältnisse (vgl. RegE BT-Drs. 16/3227, S. 17).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Beklagte ist für das vorliegende Verfahren nicht passiv legitimiert. Der Beklagte war zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung nicht Arbeitgeber der Klägerin. Deshalb kann nicht festgestellt werden, dass „das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien” durch die Kündigung des Beklagten vom 11.01.2010 nicht beendet worden ist.

Allerdings ist der Beklagte mit dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des damaligen Arbeitgebers der Klägerin, Herrn B., als bestellter Insolvenzverwalter zunächst in die Rechtsstellung des Herrn B. eingetreten. Mit der späteren, im Schreiben vom 17.09.2009 enthaltenen Erklärung der Freigabe gem. §35 Abs. 2 InsO gegenüber dem Insolvenzschuldner, die auch den gesetzlichen Vorschriften entsprechend i.S.d. §35 Abs. 3 InsO öffentlich bekannt gemacht worden ist, wurde aber u.a. das Arbeitsverhältnis der Klägerin erfasst. Seitdem besteht kein Arbeitsverhältnis mehr zu Lasten der Insolvenzmasse. Dieses besteht wieder mit Herrn B. persönlich fort, nachdem Herr B. aufgrund der Freigabeerklärung die Verfügungsbefugnis über solche Dauerschuldverhältnisse wie die Arbeitsverträge erhalten hat. Nur dieses Ergebnis entspricht dem Sinn und Zweck der Neuregelung, wonach die Selbständigkeit des Schuldners gefördert und die Masse geschützt werden soll. Der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren stets bekräftigt, die neue Regelung ermögliche – vergleichbar §109 Abs. 1 S. 2 InsO – eine komplette Freigabe allen Vermögens, das der gewerblichen Tätigkeit gewidmet sei, einschließlich aller Vertragsverhältnisse (vgl. RegEBT-Drs. 16/...

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