Übt der Unternehmer seine Tätigkeit ausschließlich im häuslichen Arbeitszimmer aus, besteht kein Zweifel daran, dass das Arbeitszimmer Mittelpunkt seiner gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit ist. Übt er seine Tätigkeit sowohl im Außendienst als auch im häuslichen Arbeitszimmer aus, ist entscheidend, wo der Mittelpunkt seiner Tätigkeit liegt.

8.1 Qualitativer Schwerpunkt der Tätigkeit

Nach den BFH-Urteilen vom 13.11.2002[1] richtet sich der Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit ausschließlich nach dem qualitativen Schwerpunkt einer Tätigkeit. Das bedeutet, dass bei einer Person, die im Außendienst tätig ist und über keinen anderen Arbeitsplatz verfügt, das häusliche Arbeitszimmer nicht automatisch als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit anzusehen ist. Auf den Gesichtspunkt, dass im häuslichen Arbeitszimmer die "geschäftsleitenden Ideen" entwickelt und die "unternehmensbezogenen Entscheidungen" getroffen werden, kommt es nur dann an, wenn dies für die ausgeübte Tätigkeit insgesamt prägend ist.

Die qualitative Beurteilung gilt aber auch dann, wenn die Tätigkeit im Außendienst zeitlich überwiegen sollte. Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt lediglich eine Indizwirkung zu.

Nach dem BMF-Schreiben vom 6.10.2017[2] gilt Folgendes:

  • Übt jemand nur eine betriebliche oder berufliche Tätigkeit aus,
  • die in qualitativer Hinsicht gleichwertig sowohl im häuslichen Arbeitszimmer als auch am außerhäuslichen Arbeitsort erbracht wird,
  • liegt der Mittelpunkt im häuslichen Arbeitszimmer, wenn der Anteil der Arbeitszeit im häuslichen Arbeitszimmer mehr als 50 % beträgt.

Zu der Frage, wie die jeweiligen Arbeitszeiten zu ermitteln und ggf. aufzuzeichnen sind, äußert sich das BMF nicht. Konsequenz ist, dass sich ohne detaillierte Zeitaufzeichnungen Auseinandersetzungen mit dem Finanzamt nicht vermeiden lassen.

[2] BMF, Schreiben v. 6.10.2017, IV C 6 – S 2145/07/10002 :19.

8.2 Was bei mehreren Tätigkeiten gilt

Mittelpunkt bei mehreren Tätigkeiten: Übt jemand mehrere betriebliche oder berufliche Tätigkeiten nebeneinander aus oder umfasst eine berufliche oder betriebliche Tätigkeit mehrere unterschiedliche Aufgabenbereiche, bildet das Arbeitszimmer nur dann den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit, wenn sich der Mittelpunkt jeder einzelnen betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit oder jedes einzelnen Aufgabenbereichs im Arbeitszimmer befindet. Bei dieser Betrachtung sind nur solche Einkünfte einzubeziehen, bei denen ein Tätigwerden im Arbeitszimmer erforderlich ist, sodass Versorgungsbezüge außer Betracht bleiben.

Werden mehrere betriebliche und berufliche Tätigkeiten nebeneinander ausgeübt, ist nach dem BMF-Schreiben[1] nicht auf die jeweilige Tätigkeit abzustellen. Vielmehr müssen bei der Beurteilung alle Tätigkeiten einbezogen werden. Dabei ist zwischen folgenden Fallgruppen zu unterscheiden:

  • Haben alle Erwerbstätigkeiten, die der Steuerpflichtige ausübt, ihren qualitativen Schwerpunkt im häuslichen Arbeitszimmer, so liegt dort auch der Mittelpunkt der Gesamttätigkeit.
  • Bilden aber die außerhäuslichen Tätigkeiten (jeweils) den qualitativen Schwerpunkt der Einzeltätigkeiten oder lassen sich diese keinem Schwerpunkt zuordnen, so kann das häusliche Arbeitszimmer auch nicht durch die Summe der darin verrichteten Arbeiten zum Mittelpunkt der Gesamttätigkeit werden.
  • Bildet das häusliche Arbeitszimmer den qualitativen Mittelpunkt lediglich einer Einzeltätigkeit, nicht jedoch im Hinblick auf die übrigen Tätigkeiten, ist regelmäßig davon auszugehen, dass das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der Gesamttätigkeit bildet.

    • Der Steuerpflichtige hat jedoch die Möglichkeit, anhand konkreter Umstände des Einzelfalls glaubhaft zu machen oder nachzuweisen, dass die Gesamttätigkeit gleichwohl einem einzelnen qualitativen Schwerpunkt zugeordnet werden kann und dass dieser im häuslichen Arbeitszimmer liegt.
    • Abzustellen ist dabei auf das Gesamtbild der Verhältnisse und auf die Verkehrsanschauung, nicht auf die Vorstellung des betroffenen Steuerpflichtigen.

Der unbegrenzte Abzug der Aufwendungen scheidet daher regelmäßig aus, wenn der Unternehmer neben einer Haupttätigkeit mit Mittelpunkt im häuslichen Arbeitszimmer eine weitere Tätigkeit oder einen weiteren Aufgabenbereich mit anderweitigem Mittelpunkt wahrnimmt. Das gilt nicht, wenn alle weiteren Tätigkeiten mit anderweitigem Mittelpunkt zusammen von völlig untergeordneter Bedeutung sind. Das häusliche Arbeitszimmer und der Außendienst können nicht gleichermaßen Mittelpunkt der beruflichen Betätigung sein.[2]

Beispiele, in denen das häusliche Arbeitszimmer Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bilden kann:

  • Bei einem Verkaufsleiter, der zur Überwachung von Mitarbeitern und zur Betreuung von Großkunden auch im Außendienst tätig ist, kann das häusliche Arbeitszimmer Tätigkeitsmittelpunkt sein, wenn er dort die für den Beruf wesentlichen Leistungen (z. B. Or...

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