Leitsatz

1. § 16 Abs. 3 Satz 5 EStG ist als typisierende Missbrauchsverhinderungsvorschrift über § 7 Satz 1 GewStG auch gewerbesteuerlich anzuwenden.

2. Eine teleologische Reduktion des § 7 Satz 1 GewStG kommt nicht in Betracht, soweit ein Mitunternehmer zunächst eine in seinem Sonderbetriebsvermögen gehaltene GmbH-Beteiligung an seine Mitunternehmerschaft veräußert, um sodann seinen gesamten Mitunternehmeranteil an einen Dritten zu veräußern.

 

Normenkette

§ 7 Sätze 1 und 2 GewStG, § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Sätze 1 und 5 EStG

 

Sachverhalt

Die Veräußerung einer Ein-Mann-GmbH & Co. KG, bei der die GmbH untypischerweise stille Reserven beinhaltete, wurde auf Wunsch des Erwerbers in der Weise durchgeführt, dass der Veräußerer zunächst seinen GmbH-Anteil zu einem erheblichen Preis an die KG und anschließend am gleichen Tag seinen nun den GmbH-Anteil einschließenden KG-Anteil an den Erwerber veräußerte. Beide Übertragungen waren eng miteinander verknüpft und hingen in ihrer dinglichen Wirkung insbesondere auch beide von der Kaufpreiszahlung des Erwerbers für die KG-Beteiligung ab.

Das FA berücksichtigte den Gewinn aus der Veräußerung der GmbH-Anteile an die KG als Gewerbeertrag der KG. Einspruch und Klage gegen den betreffenden GewSt-Messbescheid hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Auffassung von FA und FG (Urteil vom 29.11.2012, 3 K 3834/10 G, Haufe-Index 3598222, EFG 2013, 388). Der Veräußerer habe seinen Mitunternehmeranteil in zwei Schritten aufgegeben. Der im ersten Schritt durch Veräußerung der zum Sonderbetriebsvermögen gehörenden GmbH-Anteile erzielte Gewinn gelte nach § 16 Abs. 3 Satz 5 EStG als laufender Gewinn. Weil die dortige Regelung über § 7 Satz 1 GewStG auch für die GewSt gelte, unterliege der Gewinn als laufender Gewerbeertrag auch der GewSt.

 

Hinweis

1. Die Entscheidung setzt die Rechtsprechung des BFH fort, wonach die sog. "Veräußerung an sich selbst" nicht nur zur Regeltarifbelastung bei der ESt, sondern zusätzlich auch zur Belastung mit GewSt führt.

Ausgangsnormen sind § 16 Abs. 2 Satz 3 EStG für Veräußerungs- und § 16 Abs. 3 Satz 5 EStG für Aufgabevorgänge. Nach diesen Vorschriften gilt der Gewinn aus der Veräußerung insoweit als laufender Gewinn, als auf der Seite des Veräußerers und Erwerbers dieselben Personen Unternehmer oder Mitunternehmer sind. Veräußert also z.B. der Mitunternehmer seinen Gewerbebetrieb an die Mitunternehmerschaft, ist der Gewinn insoweit nicht tarifbegünstigt, als der Veräußerer an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist. Ist er im Fall einer Ein-Mann-GmbH & Co. KG alleine am Kapital der KG beteiligt, entfällt die Tarifbegünstigung ganz, weil der Veräußerer in vollem Umfang "an sich selbst" veräußert. Mit dieser Norm soll verhindert werden, dass stille Reserven im Betriebsvermögen tarifbegünstigt aufgedeckt werden, um anschließend von dem aufgestockten Betrag abschreiben und dadurch den regelbesteuerten Gewinn mindern zu können.

2. Bereits mehrfach hat der BFH entschieden, dass diese einkommensteuerliche Regelung auch auf den Gewerbeertrag durchschlägt. Dies entspricht dem Willen des Gesetzgebers, auch die Minderung der GewSt durch Aufstockungsmodelle zu verhindern. Obwohl ein solcher Gewinn an sich dem lebenden Betrieb nicht mehr zuzuordnen ist und deshalb keine GewSt auslösen würde, wird er über die Fiktion des EStG zu einem gewerbesteuerbaren Gewinn.

3. Der entschiedene Fall zeichnete sich dadurch aus, dass die betroffene Veräußerung Bestandteil eines Aufgabevorgangs war. Wird der Mitunternehmeranteil nicht insgesamt auf einen Erwerber, sondern geteilt auf mehrere Erwerber übertragen, ist dieser Vorgang nach der Rechtsprechung des BFH nicht als Veräußerung, sondern als Aufgabe des Mitunternehmeranteils zu würdigen. Die Rechtsfolgen beider Vorgänge sind identisch: der Gewinn ist einkommensteuerlich tarifbegünstigt und unterliegt grundsätzlich nicht der GewSt.

Im Urteilsfall lag deshalb keine einheitliche Veräußerung vor, weil das Sonderbetriebsvermögen in Gestalt des GmbH-Anteils an die KG, der Anteil am Gesamthandsvermögen aber an den Investor verkauft worden waren. Eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung beider Vorgänge kam nach Meinung des BFH auch für Zwecke der GewSt nicht in Betracht, weil sich der Veräußerer bewusst für die zweiaktige Gestaltung entschieden hatte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 3.12.2015 – IV R 4/13

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