Leitsatz

Die mit Wirkung ab 1.7.2000 in Berlin erfolgte Erhöhung der Vergnügungsteuer für Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen auf 600 DM ist verfassungsgemäß, sofern der Stückzahlmaßstab weiterhin beibehalten werden durfte. Das ist der Fall, wenn die Einspielergebnisse der einzelnen derartigen Geräte im Regelfall nicht mehr als 25 % nach oben oder nach unten vom Durchschnitt der Einspielergebnisse dieser Automaten abweichen.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1, A 3 Abs. 2 Nr. 1 VgStG-Sp Berlin i.d.F. vom 31.5.2000; Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 105 Abs. 2a GG; Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb im Juli 2000 in Berlin Spielhallen mit Spielautomaten, die Gewinnmöglichkeit boten. Das FA setzte dafür nach dem gerade eben von monatlich 300 DM auf 600 DM erhöhten Tarif eine Vergnügungsteuer von 600 DM je Gerät fest. Die Klägerin hielt die Tariferhöhung für unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG, weil die Steuer für derartige Geräte in Gaststätten, Kantinen, Wettannahmestellen, Vereins- und ähnlichen Räumen unverändert 50 DM je Gerät betrug. Außerdem sei zu prüfen, ob die Pauschalbesteuerung mit einem festen Pauschbetrag je Gerät noch verfassungsgemäß sei.

 

Entscheidung

Der BFH verneinte einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, hob aber die Vorentscheidung gleichwohl auf, da die Feststellungen des FG keine Beurteilung ermöglichten, ob der Stückzahlmaßstab noch verfassungsgemäß sei.

 

Hinweis

Bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung derartiger Spielgerätesteuern, wie sie das Land Berlin erhebt, ist von einem weitreichenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers auszugehen, den dieser auch zu Lenkungszwecken etwa sozialpolitischer Art nutzen darf. Solche Lenkungswirkungen darf der Landesgesetzgeber aufgrund seiner steuerrechtlichen Kompetenzen auch auf Gebieten entfalten, die – wie etwa das Gewerberecht – in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes fallen. Allerdings dürfen die Lenkungswirkungen dabei nicht den Konzeptionen widersprechen, die der Bund mit seinen Regelungen auf dem jeweils betroffenen Gebiet – also etwa mit seinem Gewerberecht – verfolgt. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Das unausgesprochene Ziel des Landes Berlin, mit der Verdopplung der Steuerlast für Spielgeräte die Spielsucht einzudämmen, ist daher angesichts des Suchtgefährdungspotenzials solcher Geräte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Spreizung der Steuerbelastung – 600 DM monatlich für Spielgeräte in Spielhallen und 50 DM für Geräte in anderen Räumlichkeiten – ist auch noch durch Art. 105 Abs. 2a GG gedeckt. Allerdings muss bei einer Aufwandsteuer wie der Vergnügungsteuer der verwendete Steuermaßstab in einem zumindest lockeren Bezug zu dem besteuerten Vergnügungsaufwand – hier des Spielers – stehen. Die pauschale Anknüpfung der Steuer an die Zahl der Geräte anstatt an die mit dem einzelnen Gerät erzielten Umsätze ist von der Rechtsprechung vornehmlich des Bundesverwaltungsgerichts nur so lange hingenommen worden, wie die zuverlässige Erfassung des mit dem einzelnen Gerät verbundenen Vergnügungsaufwands der Spieler noch nicht möglich war. Mit seinen Urteilen vom 13.4.2005, 10 C 5.04 (BVerwGE 123, 218) und 14.12.2005, 10 CN 1.05 (BFH/NV 2006, Beilage 2,217) hält das BVerwG solche Regelungen für nicht mehr vereinbar mit Art. 105 Abs. 2a GG, wenn sie der Besteuerung von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit nach 1996 den Stückzahlmaßstab zugrunde legen, obwohl die Einspielergebnisse der einzelnen Geräte mehr als 25 % nach oben oder unten vom Durchschnitt der Einspielergebnisse in dem Gebiet abweichen, das von dem Gesetz oder der Satzung betroffen ist. Der Durchschnitt ist dabei für die Spielhallen einerseits und andere Räumlichkeiten anderseits getrennt zu ermitteln. Dieser Rechtsprechung hat sich der BFH angeschlossen. Die Anknüpfung an die Einspielergebnisse, die bei entsprechender Streuung der Ergebnisse bei Sachverhalten nach 1996 geboten ist, verstößt nicht gegen Art. 33 Abs. 1 der 6. EG-RL, die es den Mitgliedsstaaten untersagt, Steuern und Abgaben einzuführen oder beizubehalten, die den Charakter von Umsatzsteuern haben. Dies ist bei den Steuern auf Spielgeräte auch dann nicht der Fall, wenn sie an den Einspielergebnissen ausgerichtet werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.2.2007, II R 2/05

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