Leitsatz

Bei der im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG vorzunehmenden Prüfung, ob bei einer zwischengeschalteten Gesellschaft die erforderliche Beteiligungsquote von 95 % erreicht ist, bleiben Anteile, die eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Gesellschaft an dieser hält, ebenso unberücksichtigt wie Anteile, die die Gesellschaft selbst hält.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG

 

Sachverhalt

Mit Vertrag vom 30.9.2004 erwarben der Kläger 7,4 % und die F-GmbH 67,4 % am Stammkapital der grundbesitzenden S-GmbH von den bisherigen Gesellschaftern. Die restlichen Anteile von 25,2 % hielt die S-GmbH selbst. Gesellschafter der F-GmbH waren der Kläger zu 90 % und die K-GmbH zu 10 %. Alleingesellschafterin der K-GmbH war die F-GmbH.

Das FA sah aufgrund des Vertrags vom 30.9.2004 die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG als erfüllt an und setzte gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das FG sah aufgrund der zivilrechtlichen Selbstständigkeit der K-GmbH keine Grundlage dafür, die wechselseitige Beteiligung der Inhaberschaft eigener Anteile gleich zu stellen (FG Köln, Urteil vom 30.11.2011, 5 K 1542/09, Haufe-Index 3114442, EFG 2012, 1582).

 

Entscheidung

Der BFH ist dem aus den dargestellten Gründen nicht gefolgt. Er hat das FG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Hinweis

Für die Gestaltungspraxis bedeutsam ist die Frage, ob bei dem Erwerb von Anteilen an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft eine Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) durch eine sog. wechselseitige Beteiligung der auf der Erwerberseite beteiligten Gesellschaften vermieden werden kann. Diese Problematik stellt sich, wenn z.B. 90 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft von einer Kapitalgesellschaft unmittelbar erworben werden. Werden die restlichen Anteile von einer 100 %igen Tochtergesellschaft der Erwerberin erworben, so kann eine Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) in der Hand der Erwerberin nur vorliegen, wenn ihr (als mittelbare Beteiligung) die von der Tochtergesellschaft erworbenen Anteile bei Berechnung der Anteilsgröße von 95 % zugerechnet werden. Dies hat der BFH angenommen.

1. Eine Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3 GrEStG) wird verwirklicht, wenn Erwerber 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft unmittelbar, mittelbar (z.B. durch zwischengeschaltete Gesellschaften) oder teils unmittelbar und teils mittelbar erwirbt. Da dem Zivilrecht der "mittelbare" Anteilserwerb fremd ist, muss zur Ausfüllung dieser Rechtsfigur auf Wertungen des GrEStG zurückgegriffen werden. Ein zur Verwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG führender (oder zu seiner Verwirklichung beitragender) mittelbarer Anteilserwerb setzt bei Zwischenschaltung einer oder mehrerer Gesellschaften voraus, dass der Anteilserwerber sowohl bei der zwischengeschalteten Gesellschaft (Zwischengesellschaft) als auch bei der grundbesitzenden Gesellschaft selbst in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise die rechtliche Möglichkeit hat, seinen Willen durchzusetzen. Davon geht der Gesetzgeber typisierend aus, wenn ein Anteilserwerber unmittelbar oder mittelbar 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft erwirbt. Bedient sich der Erwerber ganz oder teilweise einer (oder mehrerer) Zwischengesellschaft(en), reicht es für die Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG aus, wenn der Anteilserwerber an der Zwischengesellschaft (ggf. auf jeder Beteiligungsstufe) zu jeweils mindestens 95 % beteiligt ist.

2. Die von § 1 Abs. 3 GrEStG vorausgesetzte Möglichkeit einer teils unmittelbaren und teils mit­telbaren Anteilsvereinigung betrifft auch die vom ­Erwerber zum Anteilserwerb eingesetzten Zwischengesellschaften. Zur Erfüllung des Tatbestands aus § 1 Abs. 3 GrEStG reicht es z.B. aus, wenn der Anteilserwerber sich an der Zwischengesellschaft unmittelbar zu 45 % beteiligt und eine Gesellschaft, an der er zu mindestens 95 % be­teiligt ist, weitere 50 % der Anteile an der Zwischengesellschaft erwirbt. Auch hier hat der Anteilserwerber die rechtliche Möglichkeit, seinen Willen bei der Zwischengesellschaft in grunderwerbsteuerrechtlich erheblicher Weise durchzusetzen.

3. Hiervon ausgehend ist es bei einer wechselseitigen Beteiligung der auf der Erwerberseite beteiligten Gesellschaften für die Berechnung des für § 1 Abs. 3 GrEStG maßgebenden Quantums von 95 % entscheidend, ob diese Beteiligung mit zu berücksichtigen ist. Diese Frage war im Streitfall entscheidungserheblich, weil der Kläger an der einen Teil der Anteile erwerbenden F-GmbH nur zu 90 % beteiligt war. Den Anteil von 10 % an der F-GmbH hielt die K-GmbH, deren Alleingesellschafterin wiederum die F-GmbH war. Ließe man diese wechselseitige Beteiligung zwischen der F-GmbH und K-GmbH unberücksichtigt, hätte der Kläger eine insgesamt 100 %ige Beteiligung an der S-GmbH erworben. Zu diesem Ergebnis ist der BFH gelangt.

a) Bei der Berechnung der Anteilsquote von 95 % ist in der Rechtsprechung seit langem geklärt, dass von einer Kapitalgesellschaft selbst ge...

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