Leitsatz

Der Unternehmer handelt bei Inanspruchnahme der Steuerfreiheit nach § 6a UStG nur dann leichtfertig i.S.v. § 378 AO, wenn es sich ihm zumindest aufdrängen muss, dass er die Voraussetzungen dieser Vorschrift weder beleg- und buchmäßig noch objektiv nachweisen kann.

 

Normenkette

§ 6a UStG, §§ 173, 370, 378 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin handelt mit Kraftfahrzeugen. Das Finanzamt hob im Anschluss an eine Außenprüfung zunächst den Vorbehalt der Nachprüfung für das Streitjahr 2002 auf. Aufgrund einer Fahndungsprüfung erging später ein nach § 173 Abs. 2 AO geänderter Jahresbescheid, da die Klägerin die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach dem Urteil des Finanzgerichts (FG Nürnberg, Urteil vom 16.7.2013, 2 K 1943/10, EFG 2014, 793) waren die Lieferungen mangels ordnungsgemäßen Belegnachweises steuerpflichtig. Der Objektivnachweis sei nicht erbracht, obwohl Fahrzeuge zeitnah in Italien zugelassen worden seien, da die Zulassungen auf Dritte erfolgt seien. Da die Klägerin und ihre Mitarbeiter Frachtbriefe ausgefüllt hätten, obwohl ihnen Kenntnisse über die tatsächlichen Lieferverhältnisse gefehlt hätten, liege auch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor. Auftraggeber und Lieferwege seien nicht nachvollziehbar gewesen.

 

Entscheidung

Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf und wies die Sache an das FG zurück. Eine leichtfertige Steuerverkürzung liege nur vor, wenn die Klägerin auch nicht davon ausgehen konnte, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen. Bloße Zweifel an den Lieferwegen und ein möglicherweise vorliegendes Reihengeschäft könnten zwar die Versagung der Steuerfreiheit nach § 6a UStG rechtfertigen, nicht aber auch die Annahme eines leichtfertigen Handelns i.S.v. § 378 AO begründen. Auch die Kontaktaufnahme zur italienischen Abnehmerfirma über dessen inländischen Vertreter führe für sich allein noch nicht zum Vorwurf leichtfertigen Handelns.

 

Hinweis

1. Steuerbescheide, die aufgrund einer Außenprüfung ergangen sind, können gem. § 173 Abs. 2 Satz 1 AO nur aufgehoben oder geändert werden, wenn eine Steuerhinterziehung oder eine leichtfertige Steuerverkürzung vorliegt. Letzteres bestimmt sich nach § 378 AO. Leichtfertigkeit erfordert einen erhöhten Grad von Fahrlässigkeit, der im Wesentlichen der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, dabei aber die persönlichen Fähigkeiten des Täters berücksichtigt. Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist und dem sich danach aufdrängen muss, dass er Steuern verkürzt.

2. Bei der Beurteilung, ob der Unternehmer die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 6a UStG leichtfertig in Anspruch nimmt, ist zu berücksichtigen, dass der BFH seine frühere Rechtsprechung aufgegeben hat, nach der der Unternehmer die Voraussetzungen dieser Steuerfreiheit beleg- und buchmäßig nachweisen musste (BFH, Urteil vom 6.12.2007, V R 59/03, BStBl II 2009, 57). Der Unternehmer ist nunmehr auch berechtigt, die Steuerfreiheit objektiv nachzuweisen (BFH, Urteil vom 12.5.2011, V R 46/10, BStBl II 2011, 957).

Aufgrund dieser geänderten Rechtsprechung handelt der Unternehmer nur leichtfertig, wenn es sich ihm aufdrängen muss, dass er die Voraussetzungen des § 6a UStG weder beleg- und buchmäßig noch objektiv nachweisen kann. Das bloße Abstellen auf die Beleglage reicht nach der geänderten Rechtsprechung nicht aus. Dies gilt nach dem Urteil des BFH auch für Besteuerungszeiträume, die bereits vor der Rechtsprechungsänderung abgeschlossen waren.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.7.2014 – V R 44/13

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