Leitsatz

Der Steuerpflichtige muss auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG seine Betriebseinnahmen und -ausgaben so festhalten, dass die Finanzbehörde diese auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen kann.

 

Sachverhalt

Der Kläger hat einen täglich geöffneten Kebab-Imbiss betrieben. Er führte eine offene Ladenkasse und ermittelte die Umsätze nach vereinnahmten Entgelten und den Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG).

Im Rahmen einer Betriebsprüfung stellte das Finanzamt fest, dass er seine Betriebseinnahmen nicht vollständig erklärt hatte. Dies ergab sich zum einen aus Kontrollmaterial, wonach der Kläger 50 % seiner Waren schwarz eingekauft und insoweit nicht als Wareneinsatz erfasst hat. Eine Einzelverprobung führte des Weiteren zu dem Ergebnis, dass sich selbst ohne Berücksichtigung des nicht gebuchten Wareneinsatzes erhebliche Umsatzdifferenzen ergaben.

Aufgrund dessen nahm das Finanzamt Hinzuschätzungen bei den Betriebseinnahmen und Umsätzen derart vor, dass es den erklärten Wareneinsatz verdoppelte, die abziehbaren Vorsteuerbeträge entsprechend erhöhte und den Gewinn anpasste.

 

Entscheidung

Das FG hat entschieden, dass das Finanzamt die Hinzuschätzungen zu Recht vorgenommen hat. Nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO sind die Besteuerungsgrundlagen insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige Bücher und Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden können oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen.

Erfasst der Steuerpflichtige seine Tageseinnahmen in einer Summe, muss er das Zustandekommen der Summe z. B. durch einen Kassenbericht nachweisen können. Nach § 63 UStDV müssen Aufzeichnungen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens zu erhalten.

Diesen Anforderungen an eine ordnungsgemäße Buchführung genügte der Kläger nicht. Es lagen weder Uraufzeichnungen in Bezug auf die offene Ladenkasse noch Kassenberichte vor. Weitere Aufzeichnungen und Belege waren nicht vorhanden. Die alleinigen gesamtsaldierten Tagesaufzeichnungen der Einnahmen lassen es nicht zu, dass sich ein sachverständiger Dritter innerhalb einer angemessenen Zeit einen Überblick verschafft. Diese formellen Mängel der Buchführung eröffnen die Schätzungsbefugnis, weil sie wesentlich sind.

Die Ergebnisse der vom Finanzamt vorgenommenen Schätzung sind ebenfalls nicht zu beanstanden, denn sie ist schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig. Es liegt in der Natur der Sache, dass bei einer Schätzung eine Bandbreite möglicher Wertansätze besteht (sogenannter Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen ist umso größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial ist auf dem die Schätzung basiert. Der Steuerpflichtige hat insoweit keinen Anspruch darauf, dass sich die Schätzung im untersten Rahmenbereich bewegt.

 

Hinweis

Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ist § 146 AO, der nur für steuerlich Buchführungspflichtige gilt, nicht anwendbar. Es besteht folglich keine Pflicht, nach § 146 AO ein Kassenbuch zu führen. Allerdings muss ein Steuerpflichtiger auch im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG seine Betriebseinnahmen und -ausgaben – sei es durch entsprechende Aufzeichnungen einschließlich Belegsammlung oder im Wege einer geordneten Belegablage – so festhalten, dass das Finanzamt diese auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen kann.

 

Link zur Entscheidung

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.07.2020, 1 K 1070/19, 1 K 1174/19, 1 K 156/20

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