2.1 Traditionelle Forecasts in der VUCA-Welt ungeeignet

Für einen Chief Financial Officer entsteht die Notwendigkeit, seine Methodiken auf den "digitalen Prüfstand" zu stellen nicht selten durch disruptive Veränderungen des eigentlichen Geschäftsmodells seines Unternehmens. Das bedeutet, dass die bestehenden klassischen Ansätze innerhalb der einzelnen Bereiche im CFO Ressort nicht mehr hinreichend funktionieren. Ein Beispiel aus dem Controlling soll dies verdeutlichen. Dazu betrachten wir Prognosen von Finanz-KPIs für einen Geschäftsbereich (s. Abb. 1).

Abb. 1: Traditioneller Forecast auf Basis von Expertenmeinungen

Der "traditionelle Ansatz" beruht im Wesentlichen auf Erfahrung und Einschätzungen sowie der Anwendung klassischer Business-Intelligence (BI)- Methoden, wie Interpolationen, einfache Regressionen und das Verarbeiten von externen Faktoren, welche zumeist aus Preiszeitreihen bestehen. Die Schwäche dieser Ansätze liegt insbesondere darin, dass unterjährig sich verändernde Bedingungen der zugrundeliegenden Geschäftsfelder eben gerade nicht durch Erfahrung und Einschätzung und zumeist auch nicht durch klassische externe Informationen wie Preiszeitreihen abgebildet werden können. In der Konsequenz sind die Prognosen in solch einer Situation wertlos.

Gerne wird eingewendet, dass diese Konstellation die Ausnahme bildet. Diese Einschätzung der Zukunft ist ein gutes Beispiel für unsere Neigung, radikal andere Umstände nicht adaptieren zu wollen. Man könnte es auch mit einem abgewandelten Sprichwort aus den Achtzigern auf den Punkt bringen:

"Alle reden von der VUCA-Welt und keiner bezieht sie in seinen Überlegungen ernsthaft mit ein."

Dabei sind "Volatilty", "Uncertainty", "Complexity" und "Ambiguity" in verschiedensten Formen und Ausprägungen täglich zu beobachten. Das bedeutet natürlich auch, dass VUCA beschreibt, welches die Rahmenbedingungen für die Geschäftsmodelle der Unternehmen sind. Um auf unser Beispiel aus dem Controlling zurückzukommen: Der traditionelle Ansatz für die Prognose von Finanz-KPIs funktioniert in einer VUCA-Welt nicht, da diesem Ansatz die notwendigen Informationen, die eine VUCA-Welt beschreiben, schlichtweg nicht zugänglich sind.

Die entscheidende Problemstellung, welche in eine AI-Anwendung übersetzt werden muss, lautet also:

Woher bekommt man Informationen über eine VUCA-Welt und wie kann man diese so verarbeiten, dass Prognosen sie miteinbeziehen können?

2.2 Welche Daten werden für AI-Anwendungen benötigt?

Zum ersten Teil der Frage: Woher bekommt man diese Informationen? Dabei handelt es sich um einen Datentyp, der im CFO-Bereich bisher nicht automatisiert verarbeitet wurde, nämlich unstrukturierte Daten. Der Unterschied: Bei strukturierten Daten, wie Zeitreihen von Preisen ist das zugrundeliegende Modell, wie die Daten entstehen und wie sie zu interpretieren sind, mathematisch einfach zugänglich. Dagegen ist dies bei unstrukturierten Daten gerade nicht der Fall. Beispiele dafür sind Texte und Bilder. Für den CFO-Bereich beschränken wir uns dabei auf Texte als mögliche Informationsquellen, um die Bedingungen einer VUCA-Welt miteinzubeziehen.

Abb. 2: Data Never Sleeps 7.0[1]

Die Grafik von DOMO stellt einen Ausschnitt von typischen unstrukturierten Daten da. Betrachtet man jetzt die verschiedenen Lebensbereiche und berücksichtigt gleichzeitig die Menge "pro Minute jeden Tag" dann wird deutlich, dass diese "real time" verfügbaren unstrukturierten Massendaten die Bedingungen, die den Geschäftsmodellen zugrunde liegen, sehr gut beschreiben.

[1] DOMO, https://www.domo.com/learn/data-never-sleeps-7, Abrufdatum 28.1.2020.

2.3 Wie können die Daten dann nutzenbringend verarbeitet werden?

Kommen wir zum zweiten Teil der Frage: Wie können diese Daten so verarbeitet werden, dass sie in die Finanz-KPI-Prognose miteinbezogen werden können? Sicherlich nicht dadurch, dass diese Daten von Mitarbeitern aus dem Controlling auf relevante Informationen hin durchforstet werden. Menschliche Intelligenz ist nicht in der Lage, diese Art von Massendaten zu verarbeiten. Dies ist ausschließlich mit maschineller, also künstlicher Intelligenz (AI) möglich. Diese Anwendungen, welche zum Beispiel aus Massentextdaten relevante Informationen herauslesen können, haben mittlerweile einen Reifegrad erreicht, der einen Einsatz, zum Beispiel für die Prognose von Finanz-KPIs, ermöglicht. Dieser Ansatz stellt sich dann wie in Abb. 3 ersichtlich dar.

Abb. 3: Digitaler Forecast auf Basis von Artificial Intelligence

Der Anteil an Erfahrung und Einschätzungen wird auf das wirklich Relevante reduziert und der messbare Bereich aus strukturierten Daten wird mithilfe von künstlicher Intelligenz auf den Bereich der unstrukturierten Massendaten erweitert.

Mit diesem AI-basierten Ansatz ist es, im idealen Fall in Echtzeit, möglich, die Bedingungen, unter denen sich der zu prognostizierende Geschäftsbereich entwickelt, abzubilden und in die Prognose einzubeziehen.

Das hier vorgestellte Beispiel der Finanz-KPI-Prognose eines Geschäftsbereichs lässt sich konzeptionell für einige andere Anwendungsfälle im CFO-Bereich verallgemeinern. Zum Beispiel im Risk Management bei der Identifizierung von Frühwarnsignalen für pote...

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