Leitsatz

Die Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) und 31 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2.5.1992 sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der Finanzierungsaufwendungen einer in diesem Mitgliedstaat unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaft für den Erwerb von Beteiligungen an einer Tochtergesellschaft steuerlich nicht abzugsfähig sind, soweit diese Aufwendungen auf Dividenden entfallen, die von der Steuer befreit sind, weil sie von einer in einem anderen Mitgliedstaat oder Vertragsstaat des genannten Abkommens ansässigen mittelbaren Tochtergesellschaft stammen, obwohl solche Aufwendungen dann abzugsfähig sind, wenn sie auf Dividenden entfallen, die von einer mittelbaren Tochtergesellschaft, die in demselben Mitgliedstaat wie dem Staat des Geschäftssitzes der Muttergesellschaft ansässig ist, ausgeschüttet werden und die faktisch ebenfalls von der Steuer entlastet sind.

 

Normenkette

§ 8b Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 KStG 1991, § 3c, § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1990, Art. 52 EGV

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH mit Sitz und Geschäftsleitung im Inland, die als Holdinggesellschaft fungiert, hielt in den Streitjahren 1993 bis 1995 als Alleingesellschafterin u.a. die Anteile an einer anderen inländischen GmbH, der K-GmbH. Diese hielt ihrerseits die Anteile an einer in Österreich ansässigen GmbH österreichischen Rechts, der K-öGmbH. Die von Letzterer ausgeschütteten Dividenden wurden von der K-GmbH nach Maßgabe des Art. 10a Abs. 1 und Art. 15 Abs. 2 Satz 3 DBA Österreich 1954 steuerfrei vereinnahmt und an die Klägerin weitergeleitet. Bei der Klägerin blieben die Dividenden gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG 1991 außer Ansatz. Dennoch zog die Klägerin die Zinsen für das zum Erwerb der Beteiligung an der K-GmbH aufgenommene Fremdkapital sowie die dafür angefallenen Verwaltungskosten in voller Höhe als Betriebsausgaben ab.

Das für die Besteuerung der Klägerin seinerzeit zuständige FA A versagte der Klägerin unter Hinweis auf § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 3c EStG 1990 den Abzug der Refinanzierungskosten für das Darlehen und der Verwaltungskosten, soweit diese Kosten anteilig auf die steuerfrei gestellten Einnahmen entfielen.

Die Klage gegen die entsprechend geänderten Steuerbescheide war hinsichtlich der Streitjahre 1994 und 1995 wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Abzugsausschlusses erfolgreich (IStR 2004, 209).

 

Entscheidung

Das FG wurde – wie erwartet – vom EuGH bestätigt. Der BFH war abweichend vom FG allerdings zu ängstlich, so aus eigener Kraft zu urteilen. Er holte vielmehr das explizite Votum des EuGH ein, wozu ihn als Höchstgericht Art. 234 Abs. 3 EG im Grundsatz auch verpflichtet.

 

Hinweis

1. Mit Beschluss vom 14.7.2004, I R 17/03 (BFH-PR 2005, 21) hatte der BFH dem EuGH die Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob es Art. 52 i.V.m. Art. 58 EGV und Art. 73b EGV widerspricht, wenn Finanzierungsaufwendungen einer Körperschaft, die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit im Inland steuerfreien Erträgen aus der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft stehen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, nur in jenem Umfang als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen, in dem keine Gewinne aus der Beteiligung steuerfrei ausgeschüttet werden.

Konkret ging es dabei um das Abzugsverbot nach § 3c (heute § 3c Abs. 1) EStG bezogen auf gem. § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG (a.F.) steuerfreie Dividenden. An sich, so ließe sich argumentieren, stand die Auslandsbeteiligung damit eigentlich besser da als die Inlandsbeteiligung. Denn diese war nach besagtem § 8b KStG (a.F.) steuerpflichtig, was dann natürlich auch den BA-Abzug ermöglichte und das Abzugsverbot des § 3c EStG leer laufen ließ. Jedoch: Die Inlandsinvestition wurde dennoch steuerlich entlastet, nämlich mittels der KSt-Anrechnung, welche der Auslandsinvestition eben nicht zustand. "Faktisch" stand der BA-Abzug also neben der Steuererleichterung in Gestalt der KSt-Anrechnung und führte damit im Ergebnis und bezogen auf die Auslandsinvestition zu einer Überkompensation und Besserstellung.

Der EuGH hat wie erwartet klargestellt, dass das den Auslandssachverhalt diskriminieren und deswegen gemeinschaftsrechtlich nicht hinzunehmen sei. In gewisser Weise war dies durch das Urteil vom 18.9.2003, Rs. C-168/01 "Bosal" (BFH-PR 2003, 471) bereits "vorentschieden" worden (zur vergleichbaren Rechtslage nach niederländischem Recht).

2. Zwischenzeitlich werden Dividendenzahlungen aus- und inländischer Tochtergesellschaften gleich behandelt, auch was die sog. Schachtelstrafe i.H.v. 5 % anbelangt, vgl. § 8b Abs. 5 KStG (n.F.). Das Problem, über das der EuGH zu befinden hatte, hat sich insofern also erledigt. Allerdings sah § 8b Abs. 5 bzw. 7 KStG (a.F.) in den Veranlagungszeiträumen bis 2003 die 5%ige "Schachtelstrafe" in Gestalt nichtabzugsfähiger BA – nur – für Auslandsbeteiligungen vor. Auch das dürfte vor dem Hintergrund der neuen Entscheidung kaum länger haltbar sein. In di...

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