Leitsatz

1. Rechtsverfolgungskosten eines Berufssoldaten für ein gegen ihn geführtes Wehrdisziplinarverfahren sind als Werbungskosten abzugsfähig.

2. Die zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten eines Strafverfahrens ergangene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist auf Rechtsverfolgungskosten für ein Wehrdisziplinarverfahren nicht übertragbar.

 

Normenkette

§ 9 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, § 59, § 111 StGB, § 15, § 22, § 41, § 58, § 93, § 98 Abs. 1 Nr. 2, § 108, § 140 WDO, § 40 AO, §§ 7 ff., § 17 Abs. 2 Satz 3, § 23 SG

 

Sachverhalt

Der als Berufssoldat tätige Kläger wurde aufgrund eines strafrechtlich relevanten Textbeitrags auf seinem privaten Social-Media-Account rechtskräftig verurteilt. Zeitgleich wurde gegen den Kläger ein Wehrdisziplinarverfahren eröffnet, welches neben dem im Strafverfahren behandelten Vorwurf weitere Disziplinarvergehen des Klägers zum Gegenstand hatte. Die für seine Vertretung in dem Disziplinarverfahren aufgewandten Rechtsanwaltskosten (1.785 EUR) wollte der Kläger im Streitjahr (2018) als Werbungskosten abziehen. Das FA lehnte dies unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH, wonach Prozesskosten eines Strafverfahrens grundsätzlich nicht als Werbungskosten abziehbar sind, ab. Das FG gab der mach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage hingegen statt (FG Köln, Urteil vom 17.6.2021, 14 K 997/20, Haufe-Index 14863418,EFG 2021, 1983).

 

Entscheidung

Die Revision des FA hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Kosten der Rechtsverfolgung (Beratungs-, Vertretungs- und Prozesskosten) teilen grundsätzlich die einkommensteuerrechtliche Qualifikation der Aufwendungen, die Gegenstand des Prozesses waren. Ist Gegenstand des Rechtsstreits ein Vorgang der Privatsphäre (z. B. das Bestehen eines Erbrechts), so sind die Kosten der Rechtsverfolgung nicht abzugsfähig.

2. Der Abzug von durch einen Strafprozess verursachten Rechtsverfolgungskosten als Werbungskosten setzt voraus, dass die dem Arbeitnehmer vorgeworfene Tat in Ausübung und nicht nur gelegentlich der Berufstätigkeit begangen worden ist.

3. Bei zivil- oder arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten besteht ein Zusammenhang zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, wenn die Streitigkeit das Arbeitsverhältnis betrifft.

4. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Würdigung des FG, nach der die Rechtsanwaltskosten des Klägers für dessen Vertretung im Wehrdisziplinarverfahren durch dessen nichtselbstständige Arbeit veranlasst sind, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Ein hinreichend konkreter Veranlassungszusammenhang der Aufwendungen zu den Einkünften aus der Tätigkeit des Klägers als Berufssoldat ergibt sich schon daraus, dass Gegenstand des Verfahrens die Ahndung von Dienstvergehen durch Verhängung von Disziplinarmaßnahmen (Kürzung der Dienstbezüge, Beförderungsverbot, Herabsetzung in der Besoldungsgruppe, Dienstgradherabsetzung oder Entfernung aus dem Dienstverhältnis) ist, die sich auf das Dienstverhältnis und das berufliche Fortkommen bzw. auf die Höhe der Einnahmen auswirken.

b) Dem Werbungskostenabzug steht vorliegend – anders als das FA meint – auch nicht die Rechtsprechung des BFH zur Abzugsfähigkeit von Prozesskosten eines Strafverfahrens entgegen (z.B. BFH, Urteil vom 18.10.2007, VI R 42/04, BFH/NV 2008, 155). Sie ist auf Prozesskosten eines Wehrdisziplinarverfahrens nicht übertragbar. Denn die beiden Verfahren unterscheiden sich nach Rechtsgrund und Zweckbestimmung wesentlich voneinander. Ein Strafverfahren ist auf die Sanktion der Verletzung eines von der Rechtsordnung allgemein geschützten Rechtsguts gerichtet. Deshalb bemisst sich die Strafe in diesem Fall nach dem normativ festgelegten Wert des verletzten Rechtsguts und der Schuld des Täters. Ein Veranlassungszusammenhang zwischen einem Strafverfahren und der beruflichen Tätigkeit besteht daher nur ausnahmsweise dann, falls dem Steuerpflichtigen eine Tat zur Last gelegt wird, die er in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen hat. Dies ist bei einem Wehrdisziplinarverfahren anders, bei dem sich die Disziplinarmaßnahme auf den besonderen Rechts- und Pflichtenstatus der Angehörigen eines bestimmten Berufsstandes bezieht. In diesem Verfahren wird ein – gegebenenfalls strafbewehrtes –- Verhalten allein daraufhin überprüft, ob sich aus ihm eine ungerechtfertigte und schuldhafte Verletzung von Dienstpflichten ergibt.

c) Ein strafbewehrter, subjektiver Handlungsvorwurf des Dienstherrn als Anlass für das Disziplinarverfahren schließt daher einen Veranlassungszusammenhang der Rechtsverfolgungskosten zu der beruflichen Sphäre nicht aus, selbst wenn sich dieser Vorwurf als zutreffend erweisen sollte.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 10.1.2024 – VI R 16/21

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