1.1 Ausnahmen

Steuerlich sind Verbindlichkeiten mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen. Betroffen sind nicht nur Verbindlichkeiten in Geld, sondern auch Sachdienstleistungsverpflichtungen. Die Abzinsung erfolgt nicht, wenn

  • die Laufzeit der Verbindlichkeit am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt,
  • die Verbindlichkeit verzinslich ist, auch bei Stundung von Zinszahlungen oder zeitweiser Verzinsung, oder
  • es sich um Anzahlungen oder Vorauszahlungen handelt.

Verzinsliche und unverzinsliche Verbindlichkeiten

Eine verzinsliche Verbindlichkeit liegt vor, "wenn ein Zinssatz von mehr als 0 % vereinbart wurde. Dabei ist es unerheblich, ob am Bilanzstichtag fällige Zinsen auch tatsächlich gezahlt wurden. So ist bei einer Stundung von Zinszahlungen weiterhin eine verzinsliche Verbindlichkeit anzunehmen."[1]

 
Praxis-Beispiel

Niedriger Zinssatz

Im Rahmen einer Sonderaktion zur Förderung des Verkaufs bietet ein Autohersteller beim Kauf eines Neuwagens eine Finanzierung mit einem effektiven Jahreszins von 0,1 % an. Der Unternehmer, der sich einen neuen Firmenwagen kaufen möchte, nimmt dieses Angebot wahr. Er braucht die Verbindlichkeit nicht abzuzinsen, weil sie verzinslich ist. Die Tatsache, dass der Zinssatz nahe 0 % liegt, ist nicht als Gestaltungsmissbrauch anzusehen. Dieses zinsgünstige Darlehen ist zwischen fremden Dritten abgeschlossen, ohne dass steuerliche Gründe für die Höhe des Zinssatzes maßgebend waren.

Verbindlichkeiten mit verdecktem Zinsanteil

Auch wenn der Zinssatz 0 % beträgt, kann es sich um ein verzinsliches Darlehen handeln, das nicht abgezinst wird. Das ist der Fall, wenn einem bei der Gewährung eines unverzinslichen Darlehens ein Vorteil, z. B. Rabatt, verloren geht oder wenn das unverzinsliche Darlehen mit einer Auflage verbunden ist.

 
Praxis-Beispiel

Verdeckter Zinssatz

Zur Förderung des Verkaufs bietet ein Autohersteller beim Kauf eines Neuwagens eine Finanzierung mit einem Jahreszins von 0 % an. Der Unternehmer, der sich einen neuen Firmenwagen kaufen möchte, nimmt dieses Angebot wahr. Allerdings erhält er nicht den Rabatt von 5 % auf den Kaufpreis, der bei einer Barzahlung üblich ist. Den Zinssatz von 0 % erkauft er sich also mit dem Verzicht auf einen Rabatt, sodass insgesamt nicht von einem unverzinslichen Darlehen auszugehen ist.

 
Praxis-Tipp

Prüfung jeder Verbindlichkeit

Für jeden Einzelfall ist zu überprüfen, ob bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Verzinslichkeit, also eine Gegenleistung für die Kapitalüberlassung, vorliegt. Nur wenn keine Gegenleistung vorliegt, ist von einer unverzinslichen Verbindlichkeit auszugehen.

Verbindlichkeiten, die zeitweise verzinslich sind

Ist nach der Darlehensvereinbarung nur in bestimmten Zeiträumen eine Verzinsung vorgesehen, liegt insgesamt eine verzinsliche Verbindlichkeit vor. Bei Anzahlungen oder Vorauszahlungen ist in keinem Fall eine Abzinsung vorzunehmen. Es spielt daher keine Rolle, ob die Anzahlung oder Vorauszahlung verzinslich bzw. nicht verzinslich ist oder die Laufzeit mehr als 12 Monate beträgt.

 
Praxis-Beispiel

Temporär verzinstes Darlehen

Das am 1.1.01 aufgenommene Darlehen soll am 31.12.04 zurückgezahlt werden, wobei eine vorzeitige Rückzahlung möglich ist. Für den Zeitraum vom 1.1.01 bis 31.12.01 sind Zinsen in Höhe von 3 % zu entrichten.

Es handelt sich um ein verzinsliches Darlehen, auch wenn teilweise keine Verzinsung vorgesehen ist. Eine Abzinsung unterbleibt somit.

1.2 Wegfall des Abzinsungsgebots für Verbindlichkeiten durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz

Die bisherige Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG sieht vor, das unverzinsliche Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mindestens 12 Monaten unter Berücksichtigung eines Rechnungszinsfußes von 5,5 % abzuzinsen sind. Vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase entfällt dieses Abzinsungsgebot durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz.[1]

Der Wortlaut der bisherigen Regelung in § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG "Verbindlichkeiten sind unter sinngemäßer Anwendung der Vorschriften der Nummer 2 anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 vom Hundert abzuzinsen." wurde aufgehoben. Die Aufhebung der Abzinsungsverpflichtung gilt nur für Verbindlichkeiten. Rückstellungen i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG wurden dabei bewusst ausgeklammert.

Anwendungsregelung

Gem. § 52 Abs. 12 Satz 1 EStG ist § 6 Abs. 1 Nr. 3 und 3a Buchst. e EStG n. F. erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2022 enden. Auf Antrag kann die neue Regelung auch für frühere Wirtschaftsjahre angewendet werden.

Zusammenfassung

Durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz entfällt die Abzinsungspflicht für Verbindlichkeiten für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2022 enden. Eine Abzinsungspflicht neuer unverzinslicher Verbindlichkeiten besteht folglich nicht, der bilanzielle Ausweis ist stattdessen zum Nennwert vorzunehmen. Für Wirtschaftsjahre, die vor dem 1.1.2023 enden und für die noch keine bestandskräftigen Steuerbescheide vorliegen, gilt, dass bereits vorgenommene Abzinsungen durch formlosen Antrag unterbleiben bzw. rückgängig gemacht werden können.

Der Wegfall de...

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