Leitsatz

1. Für die Änderbarkeit von Versorgungsleistungen als Voraussetzung für die Annahme einer dauernden Last nach der für bis zum 31.12.2007 abgeschlossene Verträge geltenden Rechtslage genügt es nicht, wenn substantiell nur eine Änderbarkeit zugunsten des Übernehmers, nicht aber auch zugunsten des Übergebers vereinbart ist.

2. Da für die Annahme abänderbarer Leistungen zugunsten des Übergebers der Mehrbedarf wegen (dauernder) Pflegebedürftigkeit wenigstens über einen der drei möglichen Durchführungswege der Pflege abgedeckt sein muss (Senatsurteil vom 16.6.2021 – X R 31/20, BFHE 273, 526, BStBl II 2022, 165, Rz 23, 32), führt der vollständige vertragliche Ausschluss der Übernahme eines pflegebedingten Mehrbedarfs zur Einordnung der wiederkehrenden Leistungen als Leibrente.

3. Auf die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit aufgrund eigener guter Einkommens‐ und Vermögensverhältnisse des Übergebers und der gegebenenfalls beträchtlichen Höhe der vereinbarten Bar-Versorgungsleistungen im Zeitpunkt des Abschlusses des Vermögensübergabe- und Versorgungsvertrages ein Mehrbedarf an Unterhalt zu erwarten war, kommt es nicht an.

 

Normenkette

§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG i.d.F. vor dem JStG 2008, § 323 ZPO

 

Sachverhalt

Im Jahr 2003 hatte der Kläger den Optikerbetrieb seines Vaters übernommen und sich im Gegenzug notariell verpflichtet, dem Vater eine lebenslange "dauernde Last" i.H.v. monatlich 5.500 EUR zu zahlen. Bezüglich dieses Betrags wurde die Geltung von § 323 ZPO"nach seinem materiellen Gehalt" vereinbart. Bei einer Veränderung der für die Berechnung der monatlichen Leistungen maßgeblichen Verhältnisse im wesentlichen Umfang sollten Vater und Sohn berechtigt sein, eine entsprechende Abänderung des geschuldeten Betrags zu verlangen, wobei insbesondere die Leistungsfähigkeit des Übernehmers und die Bedürftigkeit des Übergebers maßgeblich sein sollten. Eine Abänderung wegen eines Mehrbedarfs des Vaters infolge dauernder Pflegebedürftigkeit oder aufgrund seiner Aufnahme in ein Alten‐ oder Pflegeheim wurde allerdings zunächst ausgeschlossen.

In den Jahren 2010 und 2011 gingen die Umsätze des Optikerbetriebs zurück und Vater und Sohn vereinbarten zunächst die Nichtanwendung der Wertsicherungsklausel; mit Wirkung ab dem 1.9.2011 wurde der monatliche Zahlbetrag wegen anhaltender starker Umsatzrückgänge auf 4.500 EUR reduziert. Die Ausschlussklausel wurde durch notariell beurkundeten Vertrag vom 3.5.2012 mit Wirkung zum 1.1.2011 aufgehoben.

Das FA berücksichtigte von den an den Vater des Klägers gezahlten Jahresbeträgen in den ESt-Bescheiden für die Streitjahre 2009 bis 2012 bis zum Zeitpunkt der Vertragsänderung nur den Ertragsanteil als Sonderausgaben. Erst die ab dem 4.5.2012 geleisteten Zahlungen sah das FA als dauernde Last an und setzte sie deshalb in voller Höhe als Sonderausgaben an.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20.11.2019, 1 K 1899/18, Haufe-Index 14356735).

 

Entscheidung

Die Revision war unbegründet. Nach Ansicht des BFH hat das FG zu Recht entschieden, dass die Barleistungen des Klägers an seinen Vater während der Zeit vom 1.1.2009 bis zum 3.5.2012 nicht als dauernde Last in vollem Umfang, sondern lediglich als Leibrente mit ihrem Ertragsanteil abziehbar sind.

 

Hinweis

1. Werden wiederkehrende Leistungen in sachlichem Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge zugesagt (private Versorgungsrenten), stellen diese weder Veräußerungsentgelt beim Übergeber noch Anschaffungskosten des Übernehmers dar, sondern sind spezialgesetzlich den Sonderausgaben und den wiederkehrenden Bezügen zugeordnet.

Für die Zuordnung zu dem Typus der privaten Versorgungsrente kommt es nicht auf das Verhältnis des Kapitalwertes der zugesagten wiederkehrenden Leistungen zum Wert des übertragenen Vermögens an, sondern darauf, ob die Leistungen aus den Nettoerträgen des übertragenen Vermögens erbracht werden können. Diese Voraussetzung war im Streitfall angesichts der bekannten jährlichen Einkünfte des Klägers aus dem übertragenen Optikergeschäft einerseits und der Höhe der vereinbarten jährlichen Barleistung an den Vater andererseits offenkundig erfüllt.

2. Dauernde Lasten sind nach § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG (i.d.F. vor Inkrafttreten des Jahressteuergesetzes 2008) in vollem Umfang als Sonderausgaben abziehbar. Leibrenten hingegen können unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG a.F. nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden (nach der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG aufgeführten Tabelle).

Eine dauernde Last erfordert, dass substanziell eine Änderbarkeit der wiederkehrenden Leistungen sowohl zugunsten des Übernehmers als auch zugunsten des Übergebers vereinbart ist. Die Änderbarkeit allein zugunsten einer Partei genügt nicht. Abänderbarkeit in diesem Sinne bedeutet, dass der Vertrag eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Übergebers oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt.

Die Verwendung des Begriffs "oder" bedeutet ...

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