3.1 Begriff der Lieferkette

 

Rz. 8

Das LkSG verpflichtet die Unternehmen gem. § 3 Abs. 1 dazu, in ihren Lieferketten die in Abschn. 2 des Gesetzes im Detail definierten menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten in angemessener Weise zu beachten, um Risiken vorzubeugen bzw. zu minimieren oder um eingetretene Verletzungen zu beenden. Der ausdifferenzierte Pflichtenkatalog des Abschn. 2 des LkSG unterscheidet zwischen den jeweiligen Einflusssphären des Unternehmens und knüpft an die Unterscheidung des eigenen Geschäftsbereichs, des unmittelbaren Zulieferers sowie des lediglich mittelbaren Zulieferers an.

 

Rz. 9

Ausgangspunkt ist die Definition des Begriffs der Lieferkette gem. § 2 Abs. 5 LkSG: Demnach umfasst diese alle Schritte im In- und Ausland, die zur Herstellung der Produkte und zur Erbringung der Dienstleistungen erforderlich sind, angefangen von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Lieferung an den Endkunden. Der Gesetzgeber hat ein sehr weites Verständnis der erfassten Lieferkette, wie die Gesetzesbegründung zeigt. So sind nicht nur der Bezug von Waren und Rohstoffen erfasst, sondern auch die Inanspruchnahme von Dienstleistungen, welche für die Produktherstellung oder Dienstleistungserbringung erforderlich sind.

 

Rz. 10

Damit werden auch Transportdienstleistungen oder die Zwischenlagerung von Waren einbezogen.[1] Aus Praxissicht wird insofern der Arbeitnehmerschutz beim Transport von Waren auf der Straße künftig große Bedeutung erlangen. Es wird zur Lieferketten-Compliance z. B. relevant werden, eine effektive Kontrolle der Einhaltung von Arbeits- und Ruhezeiten von Lkw-Fahrern durchzuführen. Unzuverlässige oder risikobehaftete Speditionen wird man identifizieren müssen, um Abhilfemaßnahmen nach dem LkSG umzusetzen.[2] Die Praxis hat gezeigt, dass insbes. Speditionen oder Subunternehmer aus Staaten außerhalb der EU (z. B. Russland, Ukraine) nicht immer Arbeitsbedingungen bieten, die mit den Vorstellungen des LkSG konform gehen.

 

Rz. 11

Neben dem Gütertransport auf der Straße ist an den Seetransport zu denken. Die internationale Containerschifffahrt hat ihre Schiffe regelmäßig ausgeflaggt, d. h., die Seeschiffe sind durch Registrierung in einem bestimmten Schiffsregister unter einer anderen Nationalflagge operativ im Einsatz. Ein maßgeblicher Faktor zur Ausflaggung war immer die Motivation, das Schiff unter den Bedingungen eines möglichst liberalen Seearbeitsrechts betreiben zu können. Viele Containerschiffe der weltweit tätigen, bekannten Reedereien finden sich in den Schiffsregistern von Antigua & Barbuda, Liberia, Cayman Islands, Panama, der Isle of Man und vergleichbarer Jurisdiktionen. Infolge des LkSG werden Unternehmen, insbes. Transportdienstleister, gehalten sein, sich über die Arbeitsbedingungen auf den eingesetzten Schiffen zu informieren, und ggf. die Einhaltung menschenrechtlicher Standards nach dem LkSG verlangen müssen. Dass dies zu einer erheblichen Erhöhung der Frachtraten und mittelbar auch der Konsum- und Investitionsgüterpreise führen wird, ist evident.[3]

 

Rz. 12

Auch Vertriebsaktivitäten durch Vertriebsmittler, E-Commerce-Plattformen sowie die Nutzung physischer Geschäftslokale fallen in den Begriff der Lieferkette.[4] Ferner können Finanzdienstleistungen, wie etwa die Vergabe eines Großkredits zur Finanzierung einer Produktionsanlage, als Teil der erfassten Lieferkette gelten, wobei im Einzelfall zu prüfen sein wird, ob es sich um eine allgemeine Darlehenslinie handelt oder eine spezifische Projektfinanzierung, bei der die kreditgebende Bank u. U. deutlich mehr Einfluss auf das Projekt hat.

 

Rz. 13

Hervorzuheben ist an dieser Stelle, dass § 2 Abs. 5 LkSG insofern eine gewisse Einschränkung der Lieferkette vornimmt, als nur Handlungen erfasst sind, die "erforderlich" zur Produktherstellung oder Dienstleistungserbringung sind. Bzgl. dieses Merkmals ist zu erwarten, dass die Gerichte eine gewisse Einschränkung vornehmen werden, wobei nicht unterschlagen werden soll, dass man beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) bzw. dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales offenbar anderer Meinung ist und eine weite Auslegung der Erforderlichkeit bejaht, die im Ergebnis auch den Hersteller des Bürobleistifts erfasst, der zwar in zeitlicher Hinsicht keine Priorität genieße, gleichwohl zu einem späteren Zeitpunkt auch einbezogen werden müsste.[5]

 

Rz. 14

Im Hinblick auf die umfassend verstandene Lieferkette sind vom LkSG erfasst

  1. das Handeln des Unternehmens im eigenen Geschäftsbereich,
  2. das Handeln eines unmittelbaren Zulieferers und
  3. das Handeln eines mittelbaren Zulieferers.

Die Sorgfaltspflichten gelten demnach nur bzgl. der Zulieferer; eine Überprüfung der Kunden des Unternehmens ist nicht geschuldet.[6]

[1] BT-Drs. 19/28649 v. 19.4.2021, S. 40.
[2] Vgl. Harings/Jürgens, RdTW 2021, S. 301.
[3] Vgl. Harings/Jürgens, RdTW 2021, S. 301.
[4] BT-Drs. 19/28649 v. 19.4.2021, S. 40.
[5] So im Ergebnis: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Fragen und Antworten zum Lieferkettengesetz, www.csr-in-deutschland.de...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge