Rückstellungen sind in Handels- und Steuerbilanz mit dem (notwendigen) Erfüllungsbetrag zu bewerten. Ihre Bewertung ist ermessensbehaftet; dieses Ermessen soll durch eine "vernünftige kaufmännische Beurteilung" begrenzt werden. In der praktischen Anwendung sieht sich der Bilanzierende jedoch nicht selten mit einer Bandbreite von möglichen Inanspruchnahmen konfrontiert, aus welchen der "richtige" Wert auszuwählen ist.

In einem Streitfall zur Bildung von Provisionsrückstellungen hat sich das FG München (Urteil v. 29.7.2019, 7 K 2779/16, EFG 2019, S. 1646) in einer aktuellen Entscheidung zu den bei einer Schätzung anzuwendenden allgemeinen Grundsätzen geäußert. Sofern zur Bewertung einer Rückstellung eine Bandbreite von möglichen Inanspruchnahmen besteht, ist grundsätzlich der Wert mit der größten Eintrittswahrscheinlichkeit maßgeblich. Das Vorsichtsprinzip rechtfertigt nicht den Ansatz des höchsten denkbaren Rückstellungswerts.

Hinsichtlich der Steuerbilanz gilt es weiterhin zu beachten, dass der Steuerpflichtige die Feststellungslast für die Bildung von Rückstellungen zu tragen hat. Genügt der Steuerpflichtige seiner Beweislast nicht, muss sich die Schätzung im unteren Rahmen der möglichen Bandbreite bewegen.

 
Hinweis

Steuerpflichtigen ist stets die Anfertigung einer möglichst aussagekräftigen Dokumentation anzuraten.

Das FG München hat sich in diesem Urteil zudem mit der Zulässigkeit von Pauschalrückstellungen (Sammelrückstellungen) befasst. Gem. § 256 Satz 2 HGB i. V. m. § 240 Abs. 4 HGB können (gleichartige) Schulden am Bilanzstichtag jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst und (unter Berücksichtigung von typisierten Bewertungsparametern) mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden.

Nach Auffassung des FG München kommen Pauschalrückstellungen indes nur ausnahmsweise in Betracht, wenn:

  • es um die Bewertung einer Vielzahl gleichartiger Geschäfte geht und
  • substanzielle Erfahrungswerte aus der Vergangenheit darüber bestehen, dass der Steuerpflichtige mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit einer Inanspruchnahme rechnen muss.

Diese Voraussetzungen sind insbesondere dann erfüllt, wenn die Verpflichtung gegenüber einer nicht individualisierbaren und zahlenmäßig nur schätzbaren Vielzahl von Personen besteht. Im Fall von Rückstellungen für Garantieleistungen kann dies regelmäßig bejaht werden. Hinsichtlich der im Streitfall begehrten Bildung einer Rückstellung für Provisionen waren die Voraussetzungen nach Auffassung des FG München hingegen nicht erfüllt. Den Vermittlungsprovisionen lagen Verträge in russischer Sprache zugrunde, in denen lediglich bestimmt war, dass die Höhe der Provisionen an die Vermittler für jeden zustande gekommenen Vertrag gesondert festgelegt werde. Die pauschalierte Rückstellungsbildung sollte – so die Auffassung des Unternehmens – unter Berücksichtigung der in der Vergangenheit üblicherweise erfolgten Auszahlungen für Provisionen vorgenommen werden.

Im Leitsatz der Entscheidung kommt das FG München zu dem Schluss, dass ein "Erfüllungsrückstand wegen noch nicht bezahlter Provisionen an ausländische Vertreter […] sich nur individuell bezogen auf jeden einzelnen Vertrag bestimmen und der Höhe nach ermitteln und nicht aus Erfahrungswerten ableiten" lässt. I. R. e. Schätzung – die sich aufgrund der schlechten Dokumentation im unteren Rahmen bewegen musste – hat das FG München letztlich dann gleichwohl die Bildung einer Rückstellung i. H. e. Viertels des im jeweils darauffolgenden Jahr zur Auszahlung gekommenen Betrags für glaubhaft gehalten.

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