Entscheidungsstichwort (Thema)
(Entstehen der Jahresumsatzsteuer als Beginn des Zinslaufs nach § 233a AO 1977 - Ende des Zinslaufs nach § 233a AO 1977 bei Erstattung aufgrund Jahresumsatzsteuererklärung)
Leitsatz (amtlich)
Die Umsatzsteuer für das Kalenderjahr (Jahressteuer) entsteht i.S. des § 233a Abs.2 Satz 1 AO 1977 (Beginn des Zinslaufs) in dem Zeitpunkt, in dem sie nach § 16 Abs.1 und 2 UStG 1980 berechenbar ist. Dieser Zeitpunkt ist das Ende des Besteuerungszeitraums, mithin des Kalenderjahres.
Orientierungssatz
Führt die Umsatzsteuerjahreserklärung zu einer Erstattung, so ist für das Ende des Zinslaufs i.S. des § 233a Abs.2 Satz 3 AO 1977 anstelle der in diesem Falle gesetzlich nicht geregelten Fälligkeit auf die Bekanntgabe der Zustimmung des FA zur Steueranmeldung abzustellen (Anschluß an BFH-Urteil vom 28.2.1996 XI R 42/94).
Normenkette
UStG 1980 § 13 Abs. 1, § 16 Abs. 1-2; AO 1977 § 233a Abs. 2 S. 1, § 223a Abs. 2 S. 3 Fassung: 1988-07-25, §§ 168, 220 Abs. 1, 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) berechnete in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1990 einen Unterschiedsbetrag (zwischen der zu entrichtenden Steuer und dem Vorauszahlungssoll) zu ihren Gunsten in Höhe von X DM. Die Erklärung ging am 11. März 1992 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein.
Das FA stimmte der Steueranmeldung am 28. April 1992 zu. Die Daten gingen am 5. Mai 1992 im Rechenzentrum ein. Mit dem Zinsbescheid vom 5. Juni 1992 setzte das FA für die Zeit vom 1. April bis 5. Mai 1992 zugunsten der Klägerin Zinsen zur Umsatzsteuer 1990 in Höhe von Y DM gemäß § 238 Abs.1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) für einen vollen Monat fest. Dabei ging das FA davon aus, der Zinslauf ende im Falle einer der Zustimmung bedürftigen Steueranmeldung mit dem Eingang der Daten beim Rechenzentrum, wie es einer bundeseinheitlich abgestimmten, Vereinfachung bezweckenden Berechnungsweise der Verwaltung entspricht. Dem Zinsbescheid war eine Abrechnung zur Umsatzsteuer für 1990 beigegeben. Diese wies als Erstattungsbetrag den Unterschiedsbetrag aus.
Die Klägerin legte gegen den Zinsbescheid Einspruch ein. Sie beantragte, zu ihren Gunsten Zinsen auch für den Monat Mai 1992 zu berücksichtigen, weil die Umsatzsteuer erst am 16. Juni 1992 erstattet worden sei.
Nach einer Änderung der Steuerfestsetzung gemäß § 164 Abs.2 AO 1977 und Erhöhung der Steuer änderte das FA mit Bescheid vom 4. Dezember 1992 auch die Zinsfestsetzung. Es berücksichtigte neben den Erstattungszinsen in Höhe von Y DM nunmehr auch Nachzahlungszinsen. Der Zinsänderungsbescheid wurde zum Gegenstand des Einspruchsverfahrens. Den Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.
Die Klage mit dem Antrag, bei der Berechnung der Zinsen auf den Unterschiedsbetrag auch den Monat Mai 1992 zu berücksichtigen, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, der Zinslauf ende im Falle einer der Zustimmung bedürftigen Steueranmeldung erst mit der Bekanntgabe der Zustimmung. Im Streitfall liege die Bekanntgabe in der Zusendung der Abrechnung. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 603 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 233a i.V.m. § 168 AO 1977. Der Zinslauf gemäß § 233a Abs.2 AO 1977 ende im Falle einer der Zustimmung bedürftigen Steueranmeldung mit Erteilung der Zustimmung. Die Zustimmung sei ein verwaltungsinterner Akt; sie brauche nicht bekanntgegeben zu werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß bei der Zinsfestsetzung zugunsten der Klägerin auch Zinsen für den Monat Mai 1992 zu berücksichtigen sind.
Führt die Festsetzung von Umsatzsteuer zu einer Steuererstattung, ist diese gemäß § 233a AO 1977 zu verzinsen.
1. Der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (§ 233a Abs.2 Satz 1 AO 1977). Ansprüche aus dem Schuldverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (§ 38 AO 1977). Eine Regelung der Tatbestandsverwirklichung findet sich im Umsatzsteuergesetz (UStG) nur hinsichtlich der Umsatzsteuer für die einzelnen Umsätze (§ 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980). Dementsprechend regelt die Vorschrift des § 13 Abs.1 UStG 1980 nur, wann die Umsatzsteuer für die einzelnen Umsätze (§ 1 Abs.1 Nr.1 UStG 1980) entsteht bzw. wann die Beträge des § 14 Abs.2 und 3 UStG 1980 geschuldet werden.
Bezüglich der Jahressteuer (§ 16 Abs.1 und 2 UStG 1980) wie auch der Steuer für den Voranmeldungszeitraum (--in § 18 Abs.1 UStG 1980 als "Vorauszahlung" bezeichnet--) enthält das Umsatzsteuergesetz keinen Tatbestand, der verwirklicht werden könnte, und damit keine Regelung des Entstehens. Die Jahressteuer und die Steuer für den Voranmeldungszeitraum werden vielmehr berechnet aus der Summe der in dem jeweiligen Zeitraum entstandenen Umsatzsteuerbeträge und unter Berücksichtigung von Hinzurechnungen und Abzügen nach der Steuerberechnungsregelung des § 16 Abs.1 und 2 UStG 1980. Daraus folgt, daß --soweit die Abgabenordnung Rechtsfolgen an das Entstehen einer Steuer knüpft-- die Jahresumsatzsteuer entstanden ist, sobald sie nach § 16 Abs.1 und 2 UStG 1980 (unter Berücksichtigung von § 17 UStG 1980) berechenbar ist. Sie ist berechenbar nach Ablauf der durch § 13 Abs.1 UStG 1980 festgelegten Entstehungszeitpunkte innerhalb des Besteuerungszeitraums, d.h. am Ende eines jeden Kalenderjahres.
Im Streitfall begann der Zinslauf am 1. April 1992, d.h. 15 Monate nachdem die Umsatzsteuer für 1990 berechenbar war und damit entstanden ist.
2. Der Zinslauf endete mit der Bekanntgabe der Zustimmung des FA zur Steueranmeldung.
Nach § 233a Abs.2 Satz 3 AO 1977 (in der bis zum 31. Dezember 1993 geltenden Fassung durch Art.15 Nr.3 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) endet der Zinslauf mit der Fälligkeit der Steuererstattung, spätestens vier Jahre nach seinem Beginn. Die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Schuldverhältnis richtet sich gemäß § 220 Abs.1 AO 1977 nach den Vorschriften der Steuergesetze. Da das Umsatzsteuergesetz die Fälligkeit eines Erstattungsanspruchs nicht regelt, tritt nach § 220 Abs.2 Satz 2 AO 1977 die Fälligkeit erst mit der Bekanntgabe der Festsetzung ein. Festgesetzt wird eine Steuer durch Steuerbescheid (§ 155 Abs.1 Satz 1 AO 1977).
Der Erstattungsanspruch der Klägerin beruhte auf ihrer Steueranmeldung vom 28. April 1992. Da die Anmeldung der Jahressteuer zu einer Herabsetzung der bisher für die Voranmeldungszeiträume insgesamt festgesetzten Steuer führte (§ 168 Satz 2 1.Alternative AO 1977), bedurfte die Steueranmeldung der Zustimmung des FA, um gemäß § 168 AO 1977 als Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung zu gelten.
In den Fällen gesetzlicher Qualifizierung einer Steueranmeldung als Steuerfestsetzung (§ 168 Sätze 1 und 2 AO 1977) erfolgt keine Festsetzung durch von der Finanzbehörde gefertigten Steuerbescheid. Führt die Steueranmeldung --wie vorliegend-- zu einem Erstattungsanspruch (§ 168 Satz 2 AO 1977), fehlt es demgemäß an einer von der Finanzbehörde bekanntgegebenen Steuerfestsetzung als Anknüpfungspunkt für die Fälligkeit gemäß § 220 Abs.2 Satz 2 AO 1977. Der XI.Senat des Bundesfinanzhofs hat deshalb in seinem Urteil vom 28. Februar 1996 XI R 42/94 (BFHE 179, 248) für die Bestimmung der Fälligkeit auf die Zustimmung des FA (§ 168 Satz 2 AO 1977) und deren Bekanntgabe abgestellt. Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
3. Im Streitfall wurde die Zustimmung des FA --wie üblich-- durch Übersenden der Abrechnung bekanntgegeben. Da die Abrechnung vom 5. Juni 1992 datiert, endete der Zinslauf mit ihrem Zugang. Die Klägerin kann deshalb gemäß § 238 Abs.1 Satz 2 AO 1977 Zinsen für zwei volle Monate beanspruchen.
Fundstellen
Haufe-Index 65901 |
BFH/NV 1996, 358 |
BStBl II 1996, 662 |
BFHE 181, 188 |
BFHE 1997, 188 |
BB 1997, 82-83 (LT) |
DB 1996, 2109-2110 (LT) |
DStR 1997, 69-71 (ST) |
DStZ 1997, 165-166 (LT) |
HFR 1996, 800-801 (L) |
StE 1996, 642 (K) |