Leitsatz

Das Betreiben eines Einzelhandelsgeschäftes und das Betreiben einer Fotovoltaikanlage, bei der der erzeugte Strom vollständig an den örtlichen Energieversorger abgegeben wird, sind ungleichartige und sich nicht ergänzende Tätigkeiten, die keinen einheitlichen Gewerbebetrieb bilden (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 15.9.2010, X R 21/08, BFH/NV 2011, 235).

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1, § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige betrieb einen Einzelhandelsbetrieb, in dem er die unterschiedlichsten Waren und Dienstleistungen anbot. Im Streitjahr 2005 ins­tallierte er auf dem Dach seines Betriebsgebäudes eine Fotovoltaikanlage. Er verbrauchte den erzeugten elektrischen Strom nicht selbst, sondern speiste ihn gegen entsprechende Vergütung in das Netz des örtlichen Energieversorgungsunternehmens ein.

Der Steuerpflichtige sah seine Aktivitäten als einheitlichen Gewerbebetrieb an, sodass er im Rahmen seiner GewSt-Erklärung den durch den Einzelhandel erzielten Gewerbeertrag um die Verluste, die durch den Betrieb der Fotovoltaikanlage entstanden waren, minderte. Das FA setzte für den Einzelhandel den GewSt-Messbetrag hingegen ohne Berücksichtigung dieser Verluste fest. Das FG wies die Klage des Gewerbetreibenden ab (Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom 22.9.2010, 2 K 282/07, Haufe-Index 2423622, EFG 2010, 2102).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des Klägers aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Dieses Urteil dürfte viele Einzelgewerbetreibende interessieren, die auf dem Dach ihres betrieblich genutzten Gebäudes eine Fotovoltaik­anlage installiert haben und deren gewerbliche Tätigkeit – wie in den meisten Fällen – nicht auf die Wartung oder den Verkauf der Anlagen bzw. des Stroms ausgerichtet ist. Sofern Gewerbetreibende den erzeugten Strom nicht selbst nutzen, unterhalten sie zwei selbstständige Gewerbebetriebe. Bei dem Betrieb des Einzelhandelsgeschäfts und bei dem Betrieb der Fotovoltaikanlage handelt es sich um ungleichartige Betätigungen, die einander auch nicht fördern oder ergänzen. Der BFH begründet das folgendermaßen:

2. Für die Entscheidung der Frage, ob mehrere gewerbliche Betätigungen, die ein Unternehmer ausübt, zu einem einheitlichen Gewerbebetrieb zu­sammenzufassen sind, kommt es stets auf das Gesamtbild der Verhältnisse an. Maßgebend sind die objektiven Merkmale; dem Willen des Unternehmers kommt insoweit Bedeutung zu, als er in den tatsächlichen Verhältnissen seinen Ausdruck findet.

3. Zu den Merkmalen eines Gewerbebetriebs gehören insbesondere die Art der Betätigung, der Kunden- und Lieferantenkreis, die Arbeitnehmerschaft, die Geschäftsleitung, die Betriebsstätten, die Or­ganisation und Finanzierung sowie Umfang und ­Zusammensetzung des Aktivvermögens. Unter Berücksichtigung dieser Merkmale muss ein wirtschaftlicher, organisatorischer und finanzieller Zusammenhang zwischen den Betätigungen bestehen.

4. Die Gewichtung der einzelnen Merkmale kann zwar nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles erfolgen. In diesem Urteil wird aber insbesondere dem Merkmal der Gleichartigkeit bzw. des Sich-Ergänzens der Tätigkeiten eine besondere Bedeutung zugewiesen. Bei ungleichartigen bzw. sich nicht ergänzenden Tätigkeiten ist zumindest i.d.R. von der Selbstständigkeit der einzelnen Aktivitäten auszugehen; dies gilt auch dann, wenn eine gemeinsame Buchführung vorhanden und das Betriebsergebnis in einer Bilanz zusammengefasst worden ist. Bestehen in einem solchen Fall gewisse finanzielle oder organisatorische Zusammenhänge, werden diese weniger auf objektiven sachlichen Notwendigkeiten als auf der Identität des Unternehmers beruhen, die bei der gebotenen objektsteuerlichen Betrachtung außer Betracht bleiben muss.

5. Die Annahme zweier selbstständiger Gewerbebetriebe hat für den Gewerbetreibenden bei der Gewerbesteuer zur Folge, dass er eine weitere Steuererklärung abgeben muss und nicht die Möglichkeit hat, den Gewinn aus der einen gewerblichen Tätigkeit mit dem Verlust aus der anderen miteinander zu verrechnen. Allerdings wird dieser Nachteil dadurch im Regelfall ausgeglichen, dass der Steuerpflichtige den Freibetrag gem. § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG i.H.v. 24.500 EUR ein weiteres Mal nutzen kann.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 24.10.2012 – X R 36/10 NV

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