Leitsatz

1. Ein bestehendes Arbeitsverhältnis wird i.S.v. § 3 Nr. 9 EStG aufgelöst, selbst wenn der Arbeitnehmer mit dessen Auflösung zugleich in ein neues (befristetes) Arbeitsverhältnis mit einer externen Beschäftigungs- und Qualifizierungs-Gesellschaft eintritt.

2. Sind monatliche Zuzahlungen nach der Betriebsvereinbarung (Sozialplan) unter Berücksichtigung der maßgebenden Auslegungsgrundsätze zum Ausgleich der durch Kurzarbeit entstehenden Nachteile und für die Dauer der Kurzarbeit entstehenden Nachteile und für die Dauer der Kurzarbeit erbracht, stehen die gezahlten Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld keine steuerfreie (ratierliche) Abfindung, sondern steuerpflichtigen Arbeitslohn dar.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 9 EStG a.F.

 

Sachverhalt

Frau K war bei einer GmbH beschäftigt, die in eine wirtschaftliche Notlage geriet. Zur Umstrukturierung wurde ein Sozialplan vereinbart, aufgrund dessen Arbeitsverträge mit der GmbH aufgehoben, befristete Arbeitsverträge mit einer externen Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft abgeschlossen und eine strukturelle Kurzarbeit in Verbindung damit durchgeführt werden sollten.

Aus einem Härtefonds sollten bestimmte Beschäftigte wie Frau K zum Ausgleich der Nachteile, die ihnen durch die dauerhafte von Kurzarbeitergeld entstanden, eine monatliche Nettozahlung erhalten. So geschah es, und Frau K erhielt einige Beträge als Abfindung steuerfrei nach § 3 Nr. 9 EStG ausgezahlt.

Das FA folgte dem nicht und behandelte die Zahlungen als steuerpflichtigen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld. Anders das FG: Es beurteilte die Leistungen als steuerfreie Abfindungen (Hessisches FG, Urteil vom 28.05.2009, 5 K 3238/03, Haufe-Index 2313955).

 

Entscheidung

Diese Bewertung teilte der BFH nicht. Er ließ die Qualifizierung der Zahlungen als steuerfreie Abfindungen daran scheitern, dass diese Leistungen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem aufgelösten Arbeitsverhältnis gestanden hätten. Der BFH legte die vertraglichen Vereinbarungen selbst aus, weil die vom FG durchgeführte Vertragsauslegung gegen Denk- und Erfahrungsgesetzen verstieß und damit rechtsfehlerhaft war. Als Härteausgleich für das Kurzarbeitergeld wurden die Leistungen für die Dauer der Kurzarbeit gewährt, stellten Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld und mithin steuerbaren und steuerpflichtigen Arbeitlohn dar.

 

Hinweis

Eine interessante Entscheidung, zwar zum auslaufenden Recht, indes auch zur Auslegung anderer Vorschriften (z.B. § 24 Nr. 1, § 34 EStG) wichtig. Was ist noch Arbeitslohn und was ist schon Abfindung, wenn die Beträge im Zusammenhang mit der Einführung von Kurzarbeit gezahlt werden?

1. Will § 3 Nr. 9 EStG aus sozialpolitischen Gründen die Folgen eines Arbeitsplatzverlusts abmildern und damit begünstigen, so muss das Arbeitsverhältnis – jenseits einer rein formalen Betrachtungsweise – endgültig beendet werden. Deshalb ist eine steuerfreie Abfindung nicht gegeben, wenn die Entlohnung unter Wahrung des sozialen Besitzstands z.B. bei Umsetzungen innerhalb eines Konzerns oder anlässlich eines Betriebsübergangs im Wesentlichen unverändert fortgesetzt wird. Ein bestehendes Arbeitsverhältnis wird aber aufgelöst, wenn die Parteien des Arbeitsvertrags das Arbeitsverhältnis aufheben, auch wenn der Arbeitnehmer zugleich in ein neues und befristetes Arbeitsverhältnis mit einer externen Betriebs- und Qualifikationsgesellschaft (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB III a.F.) eintreten. Hierin liegt die erste – wesentlich neue – Botschaft dieser Entscheidung.

2. Eine vom Arbeitgeber veranlasste Vertragsauflösung ist nur dann begünstigt, wenn der Arbeitgeber die entscheidende Ursache für die Auflösung gesetzt hat. Er muss die Auflösung "betrieben" haben. Von ihm muss die Initiative der Beendigung ausgegangen sein.

3. Damit sind aber noch nicht alle Voraussetzungen beisammen. Bedeutend ist diese Entscheidung insbesondere mit der Aussage, wie sie der 2. Leitsatz umschreibt. Unter § 3 Nr. 9 EStG fallen nämlich nur solche Leistungen, die gerade durch die Auflösung des bisherigen Dienstverhältnisses bedingt sind. Weil das Gesetz nur eine Abfindung "wegen" einer vom Arbeitgeber veranlassten Auflösung begünstigt, bedarf es eines unmittelbaren Zusammenhangs der Zahlung mit dem aufgelösten Dienstverhältnis. Um herauszufinden, was Zweckrichtung der Zahlung ist, muss man die Vereinbarungen auslegen. Unerheblich ist zwar, ob die Abfindung in einer Summe oder ratierlich gezahlt wird. Sollen die Zahlungen aber die durch Kurzarbeit entstehenden Nachteile ausgleichen, können sie nicht als Abfindung i.S.v. § 3 Nr. 9 EStG beurteilt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.07.2010 – IX R 23/09

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