Leitsatz

Der Nachweis eines niedrigeren Grundstückswerts durch Sachverständigengutachten ist nur möglich, wenn der Wert nachvollziehbar und hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen den wissenschaftlichen Anforderungen genügt.

 

Sachverhalt

Streitig war die Höhe des Grundbesitzwerts für Zwecke der Erbschaftsteuer. Im Rahmen eines Erbfalls ging die Hälfte eines Grundstücks auf die Erben über. Das Finanzamt forderte diese auf, eine Bedarfsbewertung im Wege des Ertragswertverfahrens durchzuführen und stellte danach den Wert der wirtschaftlichen Einheit fest. Mit Einspruch beantragten die Kläger den Ansatz eines geringeren gemeinen Werts nach § 146 Abs. 7 BewG. Zu dessen Nachweis legten sie ein entsprechendes Verkehrswertgutachten vor. Mit Einspruchsentscheidung bildete das Finanzamt den Mittelwert aus dem Ertragswert und dem Sachwert des vorgenannten Gutachtens und setzte den Grundbesitzwert auf diesen Wert herab. Im Übrigen wies es den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen wandten sich die Kläger erfolglos an das FG München. In der Revision hob der BFH das FG-Urteil auf und verwies die Sache zurück an das FG München. Zur Begründung führte der BFH aus, es sei nicht sachgerecht, den Verkehrswert schematisch durch Mittelung von Ertrags- und Sachwert zu bestimmen. Das von den Klägern vorgelegte Gutachten genüge den Anforderungen an den Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts nicht.

 

Entscheidung

Vor dem FG hatten die Kläger keinen Erfolg. Nach § 146 Abs. 7 BewG ist ein niedrigerer Grundstückswert zwingend dann festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger als der nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG typisierend ermittelte Wert ist. Bei der Nachweisoption handelt es sich um eine spezielle Beweislastregel, die den allgemeinen Regeln des finanzgerichtlichen Verfahrensrechts vorgeht (BFH, Urteil v. 10.11.2004, II R 69/01, BFHE 207 S. 352, BStBl 2005 II S. 259). Der durch Vorlage des Gutachtens des Sachverständigen unternommene Versuch des Nachweises eines ggü. der gesetzlich typisierten Ertragswertfeststellung niedrigeren gemeinen Werts ist den Klägern nicht gelungen.

Mangels eines tatsächlich zeitnah erzielten Kaufpreises kann der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden (BFH, Urteil v. 8.10.2003, II R 27/02, BFHE 204 S. 306, BStBl 2004 II S. 179). Bei letzterem handelt es sich um ein Privatgutachten und somit um substantiiertes, urkundlich belegtes Parteivorbringen. Ein solches Gutachten muss inhaltlich richtig sein und den allgemein anerkannten Grundsätzen der Wertermittlung genügen, wie sie insbesondere in der seit 1.7.2010 geltenden Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (ImmoWertV) bzw. der auf den Streitfall anzuwendenden Vorgängervorschriften der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (WertV) enthalten sind. Die Finanzbehörde darf von einem derart gutachterlich ermittelten gemeinen Wert abweichen; dies setzt allerdings eine überzeugende Begründung des Gutachterwerts voraus (BFH, Urteil v. 3.12.2008 II R 19/08, BFHE 224 S. 268, BStBl 2009 II S. 403). Ein Sachverständigengutachten kann nur dann als Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts i. S. d. § 146 Abs. 7 BewG dienen, wenn der hierin gefundene Wert in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen den wissenschaftlichen Anforderungen genügend transparent ist. Diesen Voraussetzungen genügte die im vorliegenden Gutachten enthaltene Wertermittlung nicht, da die für alle Bewertungsverfahren erforderliche Berücksichtigung der Lage auf dem Grundstücksmarkt fehlte.

 

Hinweis

Umfasst der Erwerb von Todes wegen auch Grundbesitz i. S. d. § 19 BewG, so ist dessen Wert bei Ermittlung der erbschaftsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 12 ErbStG). Der Grundbesitzwert ist gemäß § 12 Abs. 3 ErbStG nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 138 ff. BewG zu ermitteln und wegen § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG gesondert festzustellen (BFH, Beschluss v. 2.12.2003, II B 76/03, BFHE 203 S. 507, BStBl 2004 II S. 204). Die durch § 37 Abs. 1 ErbStG bestimmte rückwirkende Anwendung der erbschaftsteuergesetzlichen Vorschriften des am 24.12.1996 in Kraft getretenen Jahressteuergesetzes 1997 auf Erwerbsvorgänge ab 1.1.1996 - und somit auch auf den Streitfall - begegnet nach bundesrichterlicher Rechtsprechung auch keinen rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH, Urteil v. 20.10.2004, II R 74/00, BFHE 207 S. 355, BStBl 2005 II S. 99). Das Gleiche gilt für die durch § 152 BewG bestimmte rückwirkende Anwendung der bewertungsgesetzlichen Vorschriften ab 1.1.1996 (BFH, Urteil v. 14.12.2004, II R 41/03, juris).

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 07.03.2012, 4 K 826/09

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