Sachverhalt

Bei dem Verfahren ging es um die Auslegung von Art. 66 MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten von Art. 63 bis 65 MwStSystRL abweichende Steuerentstehungszeitpunkte festlegen können.

Nach dem PL-MwStG entsteht die Steuer grundsätzlich mit der Ausstellung der Rechnung. Für bestimmte Dienstleistungen sieht das Gesetz jedoch vor, dass die Steuerschuld mit der Vereinnahmung der Zahlung, spätestens jedoch am 30. Tag ab dem Tag der Leistungserbringung entsteht. Streitig ist, ob die polnischen Vorschriften, die alle drei in Art. 66 MwStSystRL genannten abweichenden Möglichkeiten enthalten und miteinander kombinieren, mit den Vorgaben der MwStSystRL im Einklang stehen.

Die Klägerin erbringt Kurier-, Post- Transport- und Speditionsdienstleistungen. Grundsätzlich stellt sie ihren Gelegenheits- und ihren ständigen Kunden einmal in der Woche Rechnungen aus. Im Fall einzelner Kunden, die zahlreiche Dienstleistungen der Klägerin in Anspruch nehmen, werden die Rechnungen mit vereinbarter Häufigkeit ausgestellt. Die Rechnungen umfassen alle für den jeweiligen Kunden im jeweiligen Steuerzeitraum erbrachten Dienstleistungen (Kurier-, Post, Transport- oder Speditionsdienstleistungen). In der Regel wird für die Begleichung des in Rechnung gestellten Betrags eine Frist von 7, 14 oder 21 Tagen ab dem Tag der Ausstellung der Rechnung gesetzt (in besonderen Fällen kann die Frist länger sein). Die Klägerin berücksichtigt den aus der jeweiligen Rechnung resultierenden Umsatz in dem Steuerzeitraum, in dem die Rechnung ausgestellt worden ist. Das bedeutet, dass die Klägerin zum Zweck der Feststellung des Zeitpunkts, zu dem die Steuerschuld entsteht, die von der Rechnung umfassten Dienstleistungen nicht in Kurier-/Postdienstleistungen und Transport-/Speditionsdienstleistungen aufteilt. Da die Rechnungen spätestens in den letzten Tagen eines Steuerzeitraums ausgestellt werden, wird die Steuer auf die in dem betreffenden Monat erbrachten Dienstleistungen in den Aufzeichnungen und der Mehrwertsteuererklärung für diesen Monat erfasst.

Die Klägerin vertrat den Standpunkt, dass sie berechtigt sei, für alle erbrachten Dienstleistungen, gleich ob es sich um Kurier-/Postdienstleistungen oder Transport-/Speditionsdienstleistungen handele, den Umsatz in dem Steuerzeitraum zu berücksichtigen, in dem sie die Rechnung ausgestellt habe, mit der die jeweilige Dienstleistung belegt werde, auch wenn sie in diesem Zeitraum noch keine Zahlung vereinnahmt habe und noch nicht 30 Tage seit der Erbringung der Dienstleistung vergangen seien. Dies ergebe sich aus einer Auslegung von Art. 19 Abs. 13 Nr. 2 PL-MwStG, hilfsweise aus einer unmittelbaren Anwendung von Art. 66 MwStSystRL. Die polnische Finanzbehörde stand auf dem Standpunkt, im Fall der von der Klägerin erbrachten Kurier- und Postdienstleistungen entstehe die Steuerschuld nach den allgemeinen Grundsätzen, die in Art. 19 Abs. 1 und 4 PL-MwStG festgelegt seien. Für die übrigen Dienstleistungen (Transport- und Speditionsdienstleistungen) hingegen sehe Art. 19 Abs. 13 Nr. 2 PL-MwStG einen besonderen Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld vor. Bei diesen Dienstleistungen sei die geschuldete Steuer in der Voranmeldung für den Monat zu erklären, in dem die Steuer entstanden sei, und nicht in dem Monat, in dem die Rechnung ausgestellt worden sei, mit der die Dienstleistung belegt werde. Nur dann, wenn die Klägerin eine Rechnung am Tag der Vereinnahmung der Zahlung ausstelle, oder in einem Fall, in dem nicht innerhalb von 30 Tagen ab dem Tag der Erbringung der Dienstleistung gezahlt worden sei, falle der Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnung mit dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer zusammen.

Der EuGH hatte darüber zu entscheiden, ob Art. 66 MwStSystRL es zulässt, dass der Steueranspruch für Transport- und Speditionsdienstleistungen zum Zeitpunkt der Vereinnahmung der gesamten Zahlung oder einer Teilzahlung, spätestens jedoch am 30. Tag ab dem Tag der Erbringung der Dienstleistung entsteht, selbst wenn die Rechnung vorher ausgestellt wurde und einen späteren Zahlungstermin vorsieht.

 

Entscheidung

Der EuGH hat diese Frage verneint. Mit Bezug auf sein Urteil v. 26.10.1995, C-144/94 (Italittica) führt er aus, dass die Mitgliedstaaten keinen anderen Zeitpunkt der Steuerentstehung festlegen können, als er sich aus Art. 66 Buchst. a bis c MwStSystRL ergibt, wenn von den Möglichkeiten nach Art. 66 MwStSystRL Gebrauch gemacht wird. Nach Art. 66 MwStSystRL können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass der Steueranspruch zu einem der drei folgenden Zeitpunkte entsteht: spätestens bei der Ausstellung der Rechnung, spätestens bei der Vereinnahmung des Preises oder, im Fall der Nichtausstellung oder verspäteten Ausstellung der Rechnung, binnen einer bestimmten Frist nach dem Eintreten des Steuertatbestands. Andere als diese drei Steuerentstehungszeitpunkte sind nach dem Urteil nicht möglich. Ein Mitgliedstaat kann daher insbesondere keinen Steuerentstehungszeitpunkt durch Kombination einer oder mehrerer Tatbestände nach ...

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