Rz. 29

Ist ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen, so ist nach § 253 Abs. 4 Satz 2 HGB der "beizulegende Wert" anzusetzen. Dieser Wert ist dem Vermögensgegenstand nach bestmöglicher Schätzung beizulegen; er muss allerdings auch niedriger als die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sein.

Bei einer Orientierung nach dem Beschaffungsmarkt ist von den Wiederherstellungs- bzw. Wiederbeschaffungskosten auszugehen. Von diesen sind die sog. "Gängigkeitsabschläge" abzusetzen. Das sind im Wege der Schätzung ermittelte pauschale Bewertungsabschläge, begründet nicht nur mit gesunkenen Wiederbeschaffungskosten oder Verkaufspreisen, sondern auch mit dem Risiko mangelnder Verwertbarkeit. "Unter dem Begriff Gängigkeit versteht man, wie häufig die Ware nachgefragt wird. Mit Hilfe von sog. Gängigkeitsabschlägen sollen Überbestände an Waren erfasst und abgewertet werden. Da der Überbestand nicht in absehbarer Zeit abverkauft werden kann, würde ein fremder Erwerber die dadurch verursachten zusätzlichen Kosten, z. B. Raumkosten, Kosten der Lagerverwaltung, Zinsaufwand, durch einen Preisabschlag honorieren. Dies gilt auch für das Risiko der künftigen technisch-wirtschaftlichen Verwertbarkeit; je länger die Ware bereits gelagert wurde, ohne dass wesentliche Teile hiervon veräußert wurden, desto höher ist die Teilwertabschreibung".[1] In der Praxis findet zur Ermittlung der Gängigkeitsabschläge das sog. Reichweitenverfahren Anwendung;[2] zentrale Bedeutung hat hierbei die Umschlagshäufigkeit der Waren, die sich aus dem Verhältnis des Lagerbestands zu den Lagerabgängen ergibt.

 
Praxis-Beispiel

[3] A ist Direkthändler für eine Automobilfabrik (Herstellerwerk). Außerdem war A als Teileversorgungshändler für andere Autohändler dieser Automarke tätig. Als Direkt- und als Teileversorgungshändler war A verpflichtet, ein ausreichendes Ersatzteillager zu unterhalten, das bestimmten Mindestreichweiten genügte. Die Lagerbestandswerte wurden jeweils vom Herstellerwerk im Rahmen der Jahresplanung festgelegt. Auch war A verpflichtet, sich bei Einführung neuer Fahrzeugmodelle rechtzeitig mit sog. Ersteinrichtersätzen zu bevorraten. Die Ersatzteile wurden den Kunden des A jeweils mit den im Zeitpunkt des Verkaufs geltenden Verkaufspreisen berechnet. Ältere Ersatzteile wurden dementsprechend mit den Preisen abgegeben, die sich aus zwischenzeitlichen Preiserhöhungen ergaben. Zu Preisherabsetzungen bei älteren Ersatzteilen kam es nicht.

A teilte die Bestände im Ersatzteillager in 6 sog. Wertigkeitsgruppen ein. Die Wertigkeit der Artikel ergab sich aus ihrer Umschlagshäufigkeit im Kalenderjahr, bezogen auf den tatsächlichen Bestand am Inventurstichtag. Im Einzelnen kam es zu folgender Einteilung:

Wertigkeitsgruppe Umschlagshäufigkeit pro Jahr, bezogen auf den Bestand zum Inventurstichtag:

1 über 3,5 (und Neuteile)

2 2,5 – 3,49

3 1,5 – 2,49

4 0,5 – 1,49

5 0,1 – 0,49

6 0,0 – 0,09 (außer Neuteile)

A ermittelte den Bilanzwert der Vorräte, indem er auf die errechneten Anschaffungskosten Teilwertabschläge vornahm. Die Teilwertabschläge waren gestaffelt und betrugen in der Wertigkeitsgruppe 1 3 %, in den Gruppen 2 und 3 25 %, in den Gruppen 4 und 5 40 % und in der Gruppe 6 90 % der Anschaffungskosten.

Handelsrechtlich ist dieses Abwertungsverfahren aufgrund des Vorsichtsprinzips uneingeschränkt zulässig, steuerlich jedoch nicht.[4] Der BFH führt aus: 1. "Die Einteilung des Warenbestands in Gängigkeitsklassen kann im Einzelfall geeignet sein, Folgerungen für den Teilwert der Ware zu ziehen. Eine lange Lagerdauer rechtfertigt jedoch für sich allein regelmäßig keine Teilwertabschreibung, solange die Waren zu den ursprünglichen oder erhöhten Preisen angeboten und verkauft werden, es sei denn, dass nach den betrieblichen Gegebenheiten auch ohne bereits erfolgte Preisherabsetzungen auf eine geminderte oder ganz entfallende Absatzmöglichkeit geschlossen werden kann. Das ist beim Handel mit Kfz-Ersatzteilen jedoch nicht der Fall.

2. Bei der Einteilung der Waren nach der Umschlagshäufigkeit kommt auch für die Waren der Gruppe mit geringerer Gängigkeit, die höhere Selbstkosten als die Waren mit besserer Gängigkeit verursachen, eine Teilwertabschreibung nur insoweit in Betracht, als dargelegt oder sonst erkennbar wird, dass in den einzelnen Gruppen die Selbstkosten einschließlich der noch zu erwartenden Lagerkosten zuzüglich eines durchschnittlichen Unternehmensgewinns durch den zu erwartenden Erlös nicht mehr gedeckt sind".

In den Fällen, in denen der Absatzmarkt maßgeblich ist, muss bei der Berechnung des beizulegenden Werts der Grundsatz der sog. verlustfreien Bewertung Berücksichtigung finden.[5]

 
Praxis-Beispiel

Ein Maschinenbauunternehmen stellt Spezialmaschinen her. Am Abschlussstichtag ist ein Auftrag mit einem vereinbarten Kaufpreis von 100.000 EUR noch nicht fertiggestellt. Die unter den unfertigen Leistungen ausgewiesenen AHK belaufen sich auf 60.000 EUR. Die Aufwendungen zur Fertigstellung der Maschine werden wie folgt geschätzt:

  • Restliche Aufwendungen zur Herste...

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