Leitsatz

Wem Gesellschaftsanteile im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge unter dem Vorbehalt des Nießbrauchs übertragen werden, erwirbt sie nicht i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG, wenn sie weiterhin dem Nießbraucher nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zuzurechnen sind, weil dieser nach dem Inhalt der getroffenen Abrede alle mit der Beteiligung verbundenen wesentlichen Rechte (Vermögens- und Verwaltungsrechte) ausüben und im Konfliktfall effektiv durchsetzen kann.

 

Normenkette

§ 39 Abs. 2 Nr. 1, § 174 Abs. 4, Abs. 5 AO, § 17 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

So, wie in Nr. 5 der Praxis-Hinweise erläutert, konnte der BFH aber noch nicht entscheiden: Im Streitfall hatte K 2004 Gesellschaftsanteile i.S.v. § 17 Abs. 1 EStG von seinem Vater erworben, der sich aber einen umfassenden Nießbrauch an ihnen vorbehalten hatte: Ihm gebührten die Gewinnanteile. K bevollmächtige seinen Vater unwiderruflich zur Ausübung des Stimmrechts in sämtlichen Gesellschaftsangelegenheiten und verpflichtete sich gegenüber dem Vater, von seinem eigenen Stimmrecht hinsichtlich der übertragenden Anteile keinen Gebrauch zu machen oder ersatzweise nach Weisungen des Vaters zu stimmen. Im Jahr 2006 veräußerten Vater und Sohn (K) ihre Gesellschaftsanteile an einen Dritten für 3,2 Mio. EUR. Im Zuge dieser Veräußerung verzichtete der Vater K gegenüber auf sein Nießbrauchrecht und K musste dafür einen Ablösebetrag von 1,7 Mio. EUR bezahlen. K machte nun im Rahmen seiner Veranlagung die 1,7 Mio. EUR als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung geltend, während der Vater die Ablösezahlung nicht versteuerte. Das FA erkannte die Zahlung nicht als nachträgliche Anschaffungskosten an. Die Klage hatte allerdings Erfolg. Nach Auffassung des FG entstanden K mit der Ablösezahlung nachträgliche Anschaffungskosten (FG Düsseldorf, Urteil vom 6.8.2010, 1 K 2690/09 E, Haufe-Index 2388661, EFG 2011, 131).

 

Entscheidung

Der BFH sah das anders: Nach den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Maßstäben hatte K den Gesellschaftsanteil erst erworben, als der Vater auf sein Nießbrauchrecht verzichtete; deshalb sind die Ablösezahlung von 1,7 Mio, EUR Anschaffungskosten. Anschaffungskosten oder nachträgliche Anschaffungskosten – ist das nicht egal? Nein! Das FG hatte neben den nachträglichen Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG auch die Anschaffungskosten des Vaters in die Gewinnermittlung einbezogen. Das setzt aber einen unentgeltlichen Erwerb voraus. K hat aber nach der Lösung des BFH entgeltlich erworben, wenn man die Ablösezahlung als Anschaffungskosten wertet.

Dies konnte der BFH allerdings nicht endgültig entscheiden. Denn es fehlte noch an einer Gesamtwürdigung durch das FG. Außerdem konnten die Beteiligten zum wirtschaftlichen Eigentum noch nicht vortragen. Ein letzter Aspekt: Man muss verfahrensrechtlich die Beteiligung des Vaters am Verfahren (§ 175 Abs. 5 AO) erwägen. Hat der Vater mit dem Verzicht auf das Nießbrauchrecht seinen Gesellschaftsanteil gegen Zahlung des Ablösebetrags veräußert, realisiert er einen Gewinn, den er bislang nicht versteuerte. Das FA kann auch dem Vater gegenüber nachträglich die richtigen steuerlichen Folgerungen ziehen (§ 174 Abs. 4 AO), wenn er an dem Verfahren beteiligt wird (§ 174 Abs. 5 AO).

 

Hinweis

1. Angenommen, K bekommt von seinem Vater in vorweggenommener Erbfolge nach § 17 Abs. 1 EStG bedeutsame Gesellschaftsanteile übertragen, der Vater behält sich aber – wie im Leitsatz dokumentiert – den Nießbrauch vor, ihm gebühren die Gewinnanteile und er kann aufgrund unwiderruflicher Vollmacht des K die Stimmrechte in sämtlichen Gesellschaftsangelegenheiten ausüben. Wenn nun die Gesellschaftsanteile steuerbar an Dritte veräußert werden und K an den Vater einen erheblichen Betrag zur Ablösung des Nießbrauchs zahlen muss, fragt es sich, ob dieser Aufwand zu Anschaffungskosten führt.

2. Die Antwort auf diese Frage richtet sich danach, wem der Gesellschaftsanteil zuzurechnen ist. Wirtschaftsgüter sind dem Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 AO). Abweichend von der zivilrechtlichen Eigentümerstellung sind Wirtschaftsgüter demjenigen zuzurechnen, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht danach auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind.

3. Diese Grundsätze gelten auch, wenn zu entscheiden ist, ob der Veräußerer den veräußerten Anteil unentgeltlich i.S.v. § 17 Abs. 2 Satz 5 EStG "erworben...

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