Leitsatz

1. Der Begriff der mit der "Krankenhausbehandlung und [der] ärztliche[n] Heilbehandlung … eng verbundenen Umsätze" i.S.v. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass er keine Tätigkeiten wie die im Ausgangsverfahren fraglichen erfasst, die in der Entnahme, der Beförderung und der Analyse von Nabelschnurblut sowie in der Lagerung der in diesem Blut enthaltenen Stammzellen bestehen, wenn die ärztliche Heilbehandlung im Krankenhaus, mit der diese Tätigkeiten nur eventuell verbunden sind, weder stattgefunden noch begonnen hat noch geplant ist.

2. Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL steht einer Qualifikation eines Steuerpflichtigen wie der CopyGene A/S durch die nationalen Behörden als "andere ordnungsgemäß anerkannte Einrichtung gleicher Art" wie Krankenanstalten und Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik im Sinn dieser Bestimmung entgegen, wenn Stammzellenbanken Leistungen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art durch medizinisches Fachpersonal erbringen, aber keine finanzielle Unterstützung durch das staatliche System der sozialen Sicherheit erhalten und die Kosten der von ihnen erbrachten Leistungen nicht von diesem System gedeckt werden, obwohl ihnen von den zuständigen Gesundheitsbehörden eines Mitgliedstaats im Rahmen der RL 2004/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rats vom 31.03.2004 zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen eine Genehmigung zum Umgang mit menschlichen Geweben und Zellen erteilt worden ist. Jedoch kann diese Bestimmung nicht dahin ausgelegt werden, dass sie als solche von den zuständigen Behörden verlangt, eine Gleichstellung einer privaten Stammzellenbank mit einer für die Zwecke der fraglichen Steuerbefreiung "ordnungsgemäß anerkannten" Einrichtung abzulehnen. Erforderlichenfalls ist vom vorlegenden Gericht zu prüfen, ob die Versagung der Anerkennung für die Zwecke der Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL dem Unionsrecht, insbesondere dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität, entspricht.

 

Normenkette

Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der 6. EG-RL (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, vgl. § 4 Nr. 16b UStG)

 

Sachverhalt

CopyGene beanspruchte die USt-Befreiung der eingangs beschriebenen Tätigkeit. Das dänische Gericht hatte Zweifel in Bezug auf die zeitliche Komponente der "eng verbundenen" Tätigkeiten und hinsichtlich der Voraussetzungen für die Befreiung privater Einrichtungen.

 

Entscheidung

Die Grundsätze ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Darüber hinaus ist es grundsätzlich Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen eine solche Anerkennung den Einrichtungen gewährt werden kann, die sie beantragen. Insoweit verfügen die Mitgliedstaaten über ein Ermessen. In diesem Zusammenhang ist es im Rahmen der Bestimmung der Einrichtungen, die i.S.d. genannten Vorschrift "anzuerkennen" sind, Sache der nationalen Behörden, nach dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte mehrere Gesichtspunkte zu prüfen, zu denen das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse zählt, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und den Umstand zu berücksichtigen, dass die Kosten der fraglichen Leistungen unter Umständen zum großen Teil von Krankenkassen oder anderen Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden.

Der Umstand, dass mehrere andere Mitgliedstaaten die Dienstleistungen privater Nabelschnurstammzellenbanken gezielt von der Steuer befreit haben, ist unerheblich, weil den Mitgliedstaaten bezüglich der Anerkennung insoweit ein Ermessen zusteht. In Bezug auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität sollten beispielsweise die ständige Verwaltungspraxis sowie weitere Praktiken in Bezug auf den Status paramedizinischer Einrichtungen und Mehrwertsteuerbefreiungen in Bereichen, die mit dem im Ausgangsverfahren fraglichen vergleichbar sind, berücksichtigt werden.

 

Hinweis

Die Entscheidung betrifft Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Gewinnung und Lagerung von Stammzellen in Form der Entnahme, Beförderung, Analyse und Lagerung von Nabelschnurblut im Hinblick auf die Verwendung von aus diesem Blut gewonnenen Stammzellen bei einer eventuellen künftigen Heilbehandlung. Deren USt-Befreiung kommt nur in Betracht, wenn es sich entweder um eine Heilbehandlung oder um eine eng mit der Krankenhausbehandlung oder der ärztlichen Heilbehandlung durch eine öffentlich-rechtliche Einrichtung oder – unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind – von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt.

1. Der Begriff der Heilbehandlung...

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