Entscheidungsstichwort (Thema)

Schätzungsmethode der Jahresrohmiete zur Erhebung der Zweitwohnungsteuer – Änderung der Rechtsprechung

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn eine Gemeinde die Einheitswertfeststellung des Finanzamts, die auf der Jahresrohmiete des Jahres 1964 basiert, heranzieht und diese anhand der seither erfolgten Mietpreissteigerungen indexiert, um die Höhe der üblichen Miete für eine eigengenutzte Zweitwohnung zu schätzen, steht dies nicht in Einklang mit einer Satzungsbestimmung, die regelt, dass diese Schätzung in Anlehnung an die Jahresrohmiete vergleichbarer Räume zu erfolgen hat (anders noch VGH Bad.-Württ., Urteil vom 18.02.1987 – 2 S 543/85 –).

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Entscheidend für die verfassungsrechtliche Beurteilung der Zweitwohnungsteuer ist nicht, ob ein bestimmter – mehr oder weniger willkürlich bestimmter – Steuersatz überschritten wird. Eine unzulässige Prohibitivsteuer liegt erst dann vor, wenn das besteuerte Verhalten durch seine Belastung mit unbezahlbaren Abgabenpflichten vollständig unterbunden werden soll. Außerfiskalische Nebenzwecke dürfen jedoch grundsätzlich (mit-) verfolgt werden. Im Falle der Zweitwohnungsteuer ist es daher z.B. zulässig, wenn sie auch den Zweck verfolgt, das Halten von Zweitwohnungen einzudämmen, um dadurch das Wohnungsangebot für die einheimische Bevölkerung zu erhöhen (hier: Baden-Baden).

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil ist unter Az. 9 B 57.13 beim BVerwG anhängig.

 

Normenkette

GG Art. 105 Abs. 2a S. 1

 

Verfahrensgang

VG Karlsruhe (Urteil vom 06.09.2012; Aktenzeichen 6 K 777/12)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 15.05.2014; Aktenzeichen 9 B 57.13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 6. September 2012 – 6 K 777/12 – geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird verworfen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin hat sich ursprünglich gegen ihre Heranziehung zu einer Zweitwohnungssteuer und einer Kurtaxe gewandt. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Festsetzung der Zweitwohnungssteuer.

Die Klägerin stammt aus der Russischen Föderation, wo sie auch ihren Hauptwohnsitz hat. Sie ist Eigentümerin einer Wohnung im Gebiet der Beklagten, wo sie sich am 6.4.2009 an- und am 23.1.2012 wieder abmeldete. Sie war mehrmals im Besitz von Schengenvisa, zuletzt ausgestellt am 6.11.2011 durch die Deutsche Botschaft in Moskau mit Gültigkeit bis zum 5.11.2012.

Die Beklagte erhebt aufgrund ihrer Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer (ZwStS) die Zweitwohnungssteuer. Einschlägig ist hier die Fassung vom 17.12.2008, die u.a. Folgendes regelt:

§ 3 Steuermaßstab

(1) Die Steuer wird nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet.

(2) Der jährliche Mietaufwand ist das Gesamtentgelt, das der Steuerschuldner für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für ein Jahr zu entrichten hat (Jahresrohmiete).

(3) Statt des Betrags nach Abs. 2 gilt als jährlicher Mietaufwand die übliche Miete für solche Wohnungen, die eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind. Die übliche Miete wird in Anlehnung an die Jahresrohmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.

(4) Die Vorschriften des § 79 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes i.d.F. vom 26. September 1974 (BGBl. I, S. 2369) finden entsprechende Anwendung.

§ 4

Steuersatz

(1) Die Steuer beträgt im Kalenderjahr

a) für den Anteil des jährlichen Mietaufwands bis 2.500 EURO = 20 %

b) für den Anteil des jährlichen Mietaufwands über 2.500 EURO bis zu 5.000 EURO = 27,5 %

c) für den Anteil des jährlichen Mietaufwands über 5.000 EURO = 35 %

Mit Bescheid vom 20.12.2011 setzte die Beklagte ab dem 1.5.2009 eine Zweitwohnungssteuer von 3.387,90 EUR jährlich fest; am 23.1.2012 sei insgesamt ein Betrag von 9.034,40 EUR fällig. Dabei ging sie von einer Jahresrohmiete von 11.286,87 EUR aus. Diese errechnete die Beklagte aus dem Produkt der Jahresrohmiete des Jahres 1964 in Höhe von 48,– DM je m² und der Wohnungsgröße von 146 m² (= 7.008,– DM). Entsprechend der seither erfolgten Steigerung der Mietpreise sei dieser Betrag um 215 % zu erhöhen.

Des Weiteren setzte die Beklagte mit Bescheid vom 21.12.2011 – beginnend ab dem 1.1.2012 – eine Kurtaxe in Höhe von 128,00 EUR fest.

Gegen beide Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung machte sie geltend, die Zweitwohnungssteuer stelle eine verfassungswidrige Vermögenssteuer dar. Es sei zudem unzulässig, fiktive Einkünfte festzusetzen. Die vorgenommene Schätzung entbehre jeder Grundlage und sei unzutreffend. Darüber hinaus müsse berücksichtigt werden, dass die Bescheide jedenfalls hinsichtlich der Zeiträume 2009 und 2010 unwirksam und verjährt seien. Der Anspruch auf Steuererhebung für das Jahr 2012 bestehe bereits deshalb nic...

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