Leitsatz

Enthält die Rechnung entgegen § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 UStG nur eine Zahlen- und Buchstabenkombination, bei der es sich nicht um die dem leistenden Unternehmer erteilte Steuernummer handelt, ist der Leistungsempfänger nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 UStG – vorbehaltlich einer Rechnungsberichtigung – nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

 

Normenkette

§ 14 und § 15 UStG 2005, Art. 17, Art. 18 der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin begehrte erfolglos den Vorsteuerabzug aus einer Rechnung mit der Angabe "75/180 Wv", eine Kennzeichnung, die das FA unter der Angabe "SteuerNr./Aktenzeichen" im Schriftverkehr mit S zur Erteilung einer Steuernummer verwendet hatte.

Das FG stützte die Klagestattgabe im Wesentlichen auf Vertrauensschutz (Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.02.2009, 16 K 311/08, Haufe-Index 2146337, EFG 2009, 798).

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte Erfolg. Bei der Rechnungsangabe "75/180 Wv" handle es sich – für einen Unternehmer, dem wie der Klägerin selbst, eine Steuernummer oder USt-IdNr. erteilt worden ist, erkennbar – weder um eine Steuernummer noch USt-IdNr. Abgesehen davon wies der BFH darauf hin, dass über einen Anspruch nach Vertrauensschutzgrundsätzen nicht im Klageverfahren über die Rechtmäßigkeit des Steuerbescheids zu entscheiden ist.

Unabhängig davon, dass es sich verfahrensrechtlich um getrennte Verfahren handelt, betont der BFH, dass – wenn der Steuerpflichtige im Festsetzungsverfahren geltend macht, ihm sei der Vorsteuerabzug trotz Nichtvorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen zu gewähren – die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme nach § 163 S. 3 AO regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden sei.

 

Hinweis

1. Fehlen die für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Rechnungsangaben oder sind sie unzutreffend, besteht nach S. 2 dieser Vorschrift für den Leistungsempfänger grundsätzlich kein Anspruch auf Vorsteuerabzug. Etwas anderes gilt nur für den Fall der lediglich betragsmäßig unzutreffenden Rechnung.

2. Zu den erforderlichen Angaben gehört nach § 14 Abs. 4 UStG u.a. die Steuernummer oder die dem Unternehmer erteilte USt-IdNr. (nach Art. 18 Abs. 1 Buchst. a und Art. 22 Abs. 3 Buchst. b der 6. EG-RL die USt-IdNr. bzw. statt der USt-IdNr. eine Steuerregister-Nr.; vgl. Art 226 MwStSystRl).

Steuernummer ist die dem Steuerpflichtigen zur verwaltungstechnischen Erfassung und der Durchführung des Besteuerungsverfahrens erteilte und mitgeteilte Nummer (vgl. § 8 der Buchungsordnung der FA, BStBl I 1993, 562). Diese Voraussetzung erfüllt ein aus einer Zahlen- und Buchstabenkombination bestehendes Aktenzeichen nicht.

3. Die Frage, ob der Berichtigung einer fehlerhaften Rechnung Rückwirkung auf den Zeitpunkt der Rechnungserteilung zukommt (vgl. EuGH, Urteil vom 15.07.2010, C-368/09, Pannon Gép, BFH/NV 2010, 1762, BFH/PR 2010, 389) war im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Wie diese Entscheidung mit der des EuGH im Urteil vom 29.04.2004, C-152/02 – Terra Baubedarf – (BFH/NV Beilage 2004, 229, BFH/PR 2004, 277) zu vereinbaren ist, ist noch offen. Denn nach der Entscheidung "Terra Baubedarf" ist das Vorsteuerabzugsrecht für den Erklärungszeitraum auszuüben, in dem die beiden erforderlichen Voraussetzungen (Vorliegen einer Lieferung oder Dienstleistung und Besitz der Rechnung oder des Dokuments, das nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien als Rechnung betrachtet werden kann) vorliegen. Das Urteil des EuGH C-368/09 erwähnt diese Entscheidung nicht (BFH/NV 2010, 1762, BFH/PR 2010, 389).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 02.09.2010 – V R 55/09

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