Rz. 94

Verletzung der Dokumentationspflichten. Kommt der Steuerpflichtige seinen Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO nicht nach, indem

wird gem. § 162 Abs. 3 Satz 1 AO widerlegbar vermutet, dass die inländischen Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsbeziehungen zum Ausland höher sind als die bislang erklärten.[1] Letztlich wird damit unterstellt, dass die vom Steuerpflichtigen erklärten Einkünfte nicht auf der Grundlage eines Fremdvergleichs ermittelt wurden. Mithin liegt es dann – aufgrund der "Widerlegbarkeit" dieser Vermutung – beim Steuerpflichtigen, die Angemessenheit der von ihm festgesetzten Verrechnungspreise nachzuweisen. Dies wird ihm jedoch nur dann gelingen, wenn er dem Finanzamt die zugrunde liegenden Geschäftsbeziehungen und die entsprechende Verrechnungspreisermittlung in dem Umfang glaubhaft vortragen kann, wie er sie in einer ordnungsgemäßen Dokumentation i. S. d. § 90 Abs. 3 AO hätte erläutern müssen. Mit dem BEPS UmsG[2] wurde – auch im Hinblick auf die Stammdokumentation nach § 90 Abs. 3 Sätze 3, 4 AO – die Geschäftsvorfallbezogenheit der Aufzeichnungspflichten herausgestellt, indem sich die Sanktionen sowohl nach § 162 Abs. 3 AO als auch nach § 162 Abs. 4 AO auf Aufzeichnungen "über einen Geschäftsvorfall" beziehen.[3] Mangels Transaktionsbezugs sind § 162 Abs. 3, 4 AO auf die Stammdokumentation nicht anwendbar. Da der Gesetzgeber die länderbezogene Berichterstattung (CbCR) nicht i. R. der Mitwirkungspflichten nach § 90 Abs. 3 AO, sondern in § 138a AO, d. h. i. R. der Anzeigepflichten, geregelt hat, kommt bei Verletzung der Übermittlungs- und Mitteilungspflichten schon deshalb eine Anwendung von § 162 Abs. 3, 4 AO nicht in Betracht.

 

Rz. 95

Umkehr der Beweislast. Im Ergebnis führt die Vorschrift des § 162 Abs. 3 AO zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Steuerpflichtigen, welche im Widerspruch zu den allgemeinen verfahrensrechtlichen Beweislastregeln einerseits und dem Amtsermittlungsgrundsatz andererseits steht.[4] Nach § 88 Abs. 1 AO ist prinzipiell die Finanzbehörde verpflichtet, "von Amts wegen" den Sachverhalt zu ermitteln. Daneben hat der Steuerpflichtige bestimmte Mitwirkungspflichten – insbesondere gem. § 90 Abs. 1 und 2 AO – zu erfüllen. Kommt er diesen nicht nach und ist der Sachverhalt nicht anderweitig aufklärbar, kann prinzipiell – auch zum Nachteil des Steuerpflichtigen – von einem Sachverhalt ausgegangen werden, für den die größte Wahrscheinlichkeit spricht.[5] Im Gegensatz zu diesen allgemeinen Grundsätzen des Verfahrensrechts kommt es nach § 162 Abs. 3 AO i. V. m. § 90 Abs. 3 AO nicht mehr darauf an, ob der Sachverhalt ggf. anderweitig aufklärbar ist bzw. ob eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass die Verrechnungspreise dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Vielmehr wird gesetzlich – wenngleich durch den Steuerpflichtigen widerlegbar – ein Verstoß gegen den Grundsatz des Fremdvergleichs vermutet.[6]

Diese Vorgehensweise kann im Einzelfall zu einem Verstoß gegen die Art. 9 OECD-MA nachgebildete DBA-Norm führen, da abkommensrechtlich nur bei tatsächlich unangemessenen Verrechnungspreisen eine Einkünftekorrektur möglich ist.

 

Rz. 96

Schätzung zu Lasten des Steuerpflichtigen. Kann der Steuerpflichtige aufgrund einer fehlenden oder im Wesentlichen unverwertbaren Verrechnungspreisdokumentation die Vermutung der Unangemessenheit seiner Verrechnungspreise nicht entkräften, ist das Finanzamt berechtigt, die Einkünfte aus den entsprechenden Geschäftsvorfällen zu schätzen. Können im Rahmen dieser Schätzung die Einkünfte nur innerhalb eines bestimmten Rahmens, z. B. in Form einer Bandbreite von Verrechnungspreisen (Rz. 20), ermittelt werden, kann das Finanzamt diesen Rahmen – entgegen der legislativ überholten Rspr. des BFH[7] – zu Lasten des Steuerpflichtigen ausschöpfen.[8] Dazu ist es allerdings nicht verpflichtet, vielmehr liegt es in seinem Schätzungsermessen, welchen Wert es im Rahmen der Bandbreite wählt. Fraglich ist hier jedoch, ob das Schätzungsermessen angesichts von § 1 Abs. 3a Satz 4 AStG reduziert wird.[9] Hiernach kommt der Median zum Tragen, sofern der vom Steuerpflichtigen angesetzte Verrechnungspreis bei lediglich eingeschränkt vergleichbaren Referenzwerten außerhalb der (eingeengten) Bandbreite liegt.

 

Rz. 97

Zuschläge (Penalties). Ferner ist bei fehlenden bzw. im Wesentlichen unverwertbaren Aufzeichnungen über einzelne Geschäftsvorfälle des Steuerpflichtigen gem. § 162 Abs. 4 AO ein Zuschlag ("penalty")[10] festzusetzen. Dieser ist als steuerliche Nebenleistung i. S. des § 3 Abs. 4 AO zu qualifizieren und stellt eine nichtabzugsfähige Betriebsausgabe dar.[11] Der Zuschlag bet...

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