Leitsatz

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-RL ist dahin auszulegen, dass die Erbringung einer Dienstleistung, die im Wesentlichen darin besteht, bei den Banken Dritter die Beträge, die diese Dritten dem Kunden des Dienstleisters schulden, für Rechnung des Kunden im Lastschriftverfahren einzuziehen, dem Kunden eine Aufstellung der erhaltenen Beträge zu übermitteln, Kontakt mit den Dritten aufzunehmen, von denen der Dienstleister keine Zahlung erhalten hat, und schließlich der Bank des Dienstleisters den Auftrag zu erteilen, die erhaltenen Beträge abzüglich des Entgelts des Dienstleisters auf das Bankkonto des Kunden zu überweisen, nicht unter die in dieser Bestimmung vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung fällt.

 

Normenkette

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-RL (§ 4 Nr. 8 Buchst. c und d UStG)

 

Sachverhalt

AXA ist vertretungsberechtigtes Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe, zu der Denplan (D) gehört. Die Tätigkeit von D umfasst die Einziehung, Bearbeitung und Weiterleitung von Geldbeträgen, die die Patienten der Zahnärzte den Zahnärzten – den Kunden von D – schulden. D zieht aufgrund einer Lastschriftermächtigung den betreffenden Geldbetrag vom Bankkonto des Patienten ein und lässt die Beträge periodisch an den jeweiligen Zahnarzt überweisen. Geht keine Zahlung ein, kümmert sich D auch darum.

 

Entscheidung

Die Grundsätze ergeben sich im Wesentlichen aus den Praxis-Hinweisen. Der Zweck der Tätigkeit von D besteht darin, den Kunden von D, also den Zahnärzten, die ihnen von ihren Patienten geschuldeten Geldbeträge zukommen zu lassen.

D ist mit der Beitreibung dieser Forderungen gegen Entgelt beauftragt und erbringt eine Dienstleistung, die in der Verwaltung der Forderungen für Rechnung des Forderungsinhabers besteht. Das ist zwar grundsätzlich ein nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 von der Steuer befreiter Umsatz im Zahlungsverkehr. Durch die Dienstleistung von D soll jedoch die Erfüllung von Schulden der Patienten der Zahnärzte erwirkt werden, m.a.W.: D nimmt ihren Kunden Aufgaben ab, die diese als Gläubiger, wenn D nicht tätig würde, selbst erledigen müssten, die Einziehung der Forderung.

Das Einziehen einer fremden Forderung im Interesse und für Rechnung des Gläubigers gegen Entgelt ist daher wesentliches Kriterium für die Beurteilung als "Factoring". Die Entscheidung auf den Vorlage­beschluss des BFH zum Erwerb zahlungsgestörter Forderungen (BFH, Beschluss vom 10.12.2009, V R 18/08, BFH/NV 2010, 776, BFH/PR 2010, 179) bleibt spannend.

 

Hinweis

Steuerfrei sind nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-RL (ebenso § 4 Nr. 8 Buchst. c und d UStG) "die Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen, …"

1. Bei einer Mehrheit verschiedener Tätigkeiten aufgrund eines Lebenssachverhalts ist Einheitlichkeit oder Selbstständigkeit der Leistungen zu prüfen. Es gelten die bekannten Grundsätze. Bei Leistungen ähnlich der von Ärzten und Zahnärzten zur Abrechnung und Einziehung der Honorarforderungen einbezogenen "Verrechnungsstellen" war im Besprechungsfall Zweck der Tätigkeit die Abwicklung der zwischen Patient und Arzt vereinbarten Honorar­forderungen.

2. Die in Art. 13 vorgesehenen Steuerbefreiungen sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH autonome unionsrechtliche Begriffe, die – als Ausnahme von der Regel – eng auszulegen sind, allerdings nicht so eng, dass die betreffende Befreiung leerläuft. Die Art der Umsätze, nicht der Typ des leistenden Unternehmers, ist entscheidend. D.h. nicht nur eine Bank kann Finanzgeschäfte i.S. d. Befreiung ausführen. Es kommt darauf an, dass die betreffenden Umsätze ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in dieser Bestimmung beschriebenen Dienstleistung (z.B. Überweisung im Zahlungsverkehr etc.) erfüllt.

3. Das Unionsrecht enthält – ebenso wie das UStG – keine Definition des Begriffs "Einziehung von Forderungen". Ausnahmen von der Ausnahme der Besteuerung sind grundsätzlich weit auszulegen; dabei ist aber der Zweck der Ausnahme und weiter der Ausnahme von der Ausnahme zu beachten. Was bezweckt also die Ausnahme von der Befreiung?

4. Der Begriff "Einziehung von Forderungen" i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der 6. EG-RL zielt auf finanzielle Transaktionen, die darauf gerichtet sind, die Erfüllung einer Geldschuld zu erwirken. Ob diese bereits fällig ist oder nicht, ist ohne Bedeutung. Factoring, das in all seinen Formen vom Begriff der "Einziehung von Forderungen" umfasst ist, ist nicht auf Forderungen beschränkt, hinsichtlich deren sich der Schuldner bereits mit der Zahlung in Rückstand befindet. Es kann auch Forderungen zum Gegenstand haben, die noch nicht fällig sind und die bei Fälligkeit befriedigt werden. Deshalb ist ohne Bedeutung, ob die Einziehung Zwangsmaßnahmen erfordert.

 

Link zur Entscheidung

EuGH, Urteil vom 28.10...

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