Leitsatz

Ein Kreditinstitut erbringt eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. e bzw. Buchst. c UStG steuerfreie Dienstleistung, wenn es eine über die depotmäßige Verwahrung hinausgehende aktive Verwaltung eines Anlageportfolios übernimmt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, das teilweise selbst, teilweise durch Organgesellschaften für Kunden bankmäßige Vermögensverwaltung (Portfolioverwaltung) betreibt. Nach den Standardverträgen wurde eine Teilpauschalvergütung von 1,8 % des Vermögenswerts vereinbart, die i.H.v. 1,2 % auf die Vermögensverwaltung und i.H.v. 0,6 % auf den An- und Verkauf von Wertpapieren (einschließlich Investmentanteilen) der Unternehmensgruppe der Klägerin entfiel. Die Vergütung beinhaltete auch die Konto- und Depotführung. Auslagen bei Wertpapiergeschäften und Transaktionsentgelte für die Durchführung von Termingeschäften waren dagegen gesondert in Rechnung zu stellen. Die Preise für den An- und Verkauf von Wertpapieren gemäß dem gültigen Preis- und Leistungsverzeichnis der Klägerin sowie die Ausgabeaufschläge für den Erwerb von Investmentanteilen aus deren Unternehmensgruppe waren dagegen durch die Teilpauschalvergütung abgegolten.

Das Kreditinstitut erfasste die Pauschalvergütungen als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. e bzw. Buchst. c UStG. Die Finanzverwaltung unterwarf die Umsätze in vollem Umfang der Umsatzbesteuerung.

 

Entscheidung

Das Gericht hat die zulässige Klage als begründet angesehen. Nach Auffassung des Gerichts liegen - entgegen der von der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben v. 9.12.2008[1] vertretenen Auffassung - nach § 4 Nr. 8 Buchst. e UStG ("Umsätze im Geschäft mit Wertpapieren") bzw. § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG ("Umsätze im Geschäft mit Geldforderungen") steuerbefreite Leistungen vor.

Das Finanzgericht bezieht sich in wesentlichen Teilen seines Urteils auf die Rechtsprechung des BFH [2], in dem der BFH dargelegt hat, dass die über eine depotmäßige Verwahrung hinausgehende aktive Verwaltung eines Anlageportfolios (d. h. das laufende, unter Ausnutzung von relevanten Informationen und Fachkenntnissen gesteuerte Umschichten des Portfolios zum Zwecke der Wert- und Ertragsteigerung) solche begünstigten Umsätze darstellt. Zu diesem Urteil hatte die Finanzverwaltung einen Nichtanwendungserlass herausgegeben[3]. Dass nicht die steuerfreien Wertpapiergeschäfte, sondern die sonstigen Verwaltungsleistungen der Gesamtleistung ihr Gepräge geben, hat das Gericht nicht für überzeugend angesehen.

Die sonstige Verwaltungstätigkeit ist auch keine eigenständige - abtrennbare - Leistung, sondern eine Nebenleistung, die das Schicksal der Hauptleistung teilt. Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze spricht im Streitfall für den Charakter einer unselbstständigen Nebenleistung bereits, dass der Kunde aufgrund der vorbereitenden Verwaltungstätigkeit - anders als bei einer vorbereitenden Beratungstätigkeit - keine eigene Auswahlentscheidung treffen und die Leistung für ihn damit keine eigenständige Bedeutung haben kann.

Insbesondere zu beachten ist auch, dass bei der vorliegenden vertraglichen Vereinbarung der Kunde zwar keine sog. "all-in-fee" (Vollpauschalvergütung) zahlt (mit der sämtliche für den An- und Verkauf anfallenden Gebühren abgegolten wären), die von ihm zu zahlende Vergütung jedoch als "Teilpauschalvergütung" zumindest zu 1/3 auf die bei der Klägerin bzw. der jeweiligen Organgesellschaft anfallenden Gebühren für den An- und Verkauf bestimmter Vermögensgegenstände entfällt. Damit stellt sich ein nicht ganz unerheblicher Teil der Vergütung als Gegenleistung für die Vermittlung derartiger An- und Verkäufe dar. Der Sachverhalt unterscheidet sich insoweit von denjenigen Fallgestaltungen, in denen dem Kunden sämtliche Transaktionskosten zusätzlich in Rechnung gestellt werden und die Vergütung damit vollends für die vorbereitenden Verwaltungsleistungen (nebst Depot- und ggf. sonstiger Nebenleistungen) gezahlt wird. Dieser Umstand spricht im Streitfall für eine besonders enge Verflechtung der An- und Verkaufsaktivitäten mit den sonstigen Verwaltungsteilleistungen.

 

Hinweis

Gegen das Urteil des Hessischen FG ist Revision beim BFH anhängig (Revisionsaktenzeichen V R 9/10). Der BFH wird sich dabei erneut mit der Reichweite der Steuerbefreiung für die Vermögensverwaltung auseinander setzen müssen. Bis dahin sollten vergleichbare Fälle offen gehalten werden.

 

Link zur Entscheidung

Hessisches FG, Urteil vom 22.03.2010, 6 K 1930/09

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