Rz. 6

Die in der wirtschaftlichen Praxis möglichen Anwendungsfälle der Treuhandschaft unterliegen vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, sodass keine umfassende Systematik entwickelt werden kann. Dennoch ist eine Einordnung anhand folgender Kriterien möglich, welche sich auch auf die bilanzielle Behandlung des Treuguts niederschlägt.

1.2.1 Rechtsgrundlagen der Treuhandschaft

 

Rz. 7

Da Treuhandverhältnisse entweder durch ein Rechtsgeschäft oder Gesetz bzw. einen Hoheitsakt begründet werden, besteht anhand der Rechtsgrundlage eine erste Möglichkeit zur Systematisierung. Bei der rechtsgeschäftlichen Treuhand wird zwischen Treugeber und Treuhänder ein Treuhandvertrag abgeschlossen, für den das allgemeine Vertragsrecht gilt. Da jeder dieser Treuhandverträge durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des zugrunde liegenden Einzelfalls bestimmt wird, ist eine erschöpfende Systematisierung innerhalb der rechtsgeschäftlichen Treuhandverhältnisse nicht möglich.[1]

 

Rz. 8

Gesetzliche oder hoheitliche Treuhandverhältnisse werden hingegen durch Gesetz, V erwaltungsakte oder gerichtliche Anordnungen begründet, sodass keine weitere vertragliche Beziehung zwischen Treugeber und Treuhänder vorzuliegen braucht. Die Aufgaben des gesetzlichen Treuhänders, der statt des Eigentums am Treugut lediglich eine Verwaltungs- oder Verfügungsberechtigung erwirbt,[2] bestehen im Allgemeinen in der Sicherung oder im Schutz unter Kontrolle gestellter Werte im Interesse von Personen, die über diese Werte nicht selbst verfügen können. Sofern bei dieser gesetzlichen Treuhandschaft die Überwachung im Vordergrund steht, bedürfen Rechtshandlungen des Treugebers grundsätzlich der Zustimmung des Treuhänders. Liegt hingegen der Schwerpunkt auf der geschäftsführenden Tätigkeit, so nimmt der Treuhänder die Rechtshandlungen anstelle des Treugebers vor. Dabei darf der Treuhänder grundsätzlich alle Geschäfte abschließen, die eine ordentliche Verwaltung mit sich bringt, kann jedoch auch durch Dienstanweisungen der aufsichtsführenden Behörde oder durch die Bestallungsurkunde in seinen Befugnissen beschränkt werden. Die Gruppe der gesetzlichen Treuhänder wird durch die gesetzlichen Verwalter (z. B. Insolvenzverwalter, Abwickler, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker) ergänzt. Diese haben zwar keine Rechte an den verwalteten Vermögensgegenständen, jedoch besitzen sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften die amtlichen Befugnisse, diese Rechte im eigenen Namen auszuüben.[3]

[1] Vgl. Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e. V.: WP-Handbuch, Bd. II, 13. Aufl., Düsseldorf 2008, Rn. H14. Vgl. Rz. 13 ff. bzgl. Näherem zum Treuhandvertrag.
[2] Vgl. Liebich, Dieter/Mathews, Kurt: Treuhand und Treuhänder in Recht und Wirtschaft – ein Handbuch, 2. Aufl., Herne, Berlin 1983, S. 46.
[3] Vgl. Ellenberger, Jürgen: Einf. v. § 164 BGB, in: Palandt, Otto: Bürgerliches Gesetzbuch, 69. Aufl., München 2010, Rn. 9.

1.2.2 Rechtsstellung des Treuhänders

 

Rz. 9

Eine zweite Möglichkeit der Systematisierung ergibt sich anhand der Rechtsstellung des Treuhänders und der Einschränkung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Treugebers über das Treugut. Bei der sog. Vollrechtstreuhand steht dem Treuhänder die volle Rechtsstellung eines Eigentümers zu (fiduziarische Treuhandschaft) und das Treuhandverhältnis soll nach außen häufig sogar verdeckt werden ("Strohmann"). Zwar darf der Treuhänder seine Rechtsstellung nur im Interesse des Treugebers ausüben, wie es im Innenverhältnis durch den Treuhandvertrag bestimmt wird, jedoch erhält er grundsätzlich mehr Rechtsmacht, als wirtschaftlich zur Ausführung des Treuhandzwecks erforderlich ist. Diese überschießende Rechtsmacht kann für den Treugeber erhebliche Risiken in sich bergen, da die Rechtsgeschäfte des Treuhänders mit Dritten auch dann wirksam sind, wenn sie gegen den Treuhandvertrag mit dem Treugeber verstoßen. In diesen Fällen kann der Treugeber nur seinen schuldrechtlichen Anspruch aus dem Innenverhältnis geltend machen.[1] Die Risiken lassen sich jedoch dadurch reduzieren, dass dem Treuhänder das Vollrecht am Treugut zusammen mit einer auflösenden Bedingung gewährt wird, die bei Eintritt einen unmittelbaren Rückfall des Treuguts an den Treugeber bewirkt. Grundsätzlich besteht somit für den Treugeber ein Anspruch auf Rückübertragung, der aber u. U. im Klageweg durchgesetzt werden muss.[2]

 

Rz. 10

Dagegen wird bei der sog. Ermächtigungstreuhand nicht das "Vollrecht" am Treugut, sondern lediglich die Ermächtigung zur Verfügung im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung auf den Treuhänder übertragen. Die Rechtsgrundlage der Ermächtigungstreuhand bildet § 185 Abs. 1 BGB, nach dem die Verfügung eines Nichtberechtigten (Treuhänder) über einen Gegenstand wirksam ist, wenn sie mit der Einwilligung des Berechtigten (Treugeber) erfolgt. Der Treugeber kann dabei weiterhin über das Treugut verfügen, solange der Treuhänder von seiner Ermächtigung dazu nicht Gebrauch macht. Grundsätzlich kann der Treugeber jederzeit seinen Widerruf aussprechen. Die Ermächtigung erlischt am Ende der Inhaberschaft bzw. gem. § 168 BGB mit dem Ende des ...

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