Entscheidungsstichwort (Thema)

Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Gemeinschuldners entstandene Umsatzsteuer ist keine Masseverbindlichkeit. Umsatzsteuer-Vorauszahlung 2002

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Insolvenzordnung enthält keine Rechtsgrundlage dafür, dass der Gemeinschuldner durch Rechtsgeschäfte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Masse belasten kann.

2. Aus Wortlaut und Systematik der Insolvenzordnung ergibt sich, dass nur der Insolvenzverwalter Masseverbindlichkeiten begründen kann.

3. Schuldner der Umsatzsteuer im Hinblick auf eine durch den Gemeinschuldner nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnene neue gewerbliche Tätigkeit ist nicht der Insolvenzverwalter, sondern der Gemeinschuldner. Die insoweit entstandene Umsatzsteuer stellt keine Masseverbindlichkeit dar.

 

Normenkette

InsO § 55 Abs. 1 Nr. 1, § 80 Abs. 1; UStG 1999 § 13a Abs. 1, § 18 Abs. 6

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 07.04.2005; Aktenzeichen V R 5/04)

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung für 2002 vom 2. Mai 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 wird aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist wegen der Kosten des Klägers vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs des Klägers abwenden, soweit dieser nicht zuvor Sicherheit in der gleichen Höhe leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf Grund einer neuen gewerblichen Tätigkeit des Gemeinschuldners entstandene Umsatzsteuerschuld eine Masseverbindlichkeit darstellt.

A betrieb unter der Fa. „X Inhaber A” ein Bauunternehmen. Mit Beschluss vom 31. März 2000 (92 IN 576/99) eröffnete das Amtsgericht A-Stadt das Insolvenzverfahren über das Vermögen des A, Inhaber der X, untersagte dem Schuldner über sein Vermögen zu verfügen und bestellte Rechtsanwalt C, A-Stadt, zum Insolvenzverwalter. Dieser nahm den Betrieb mangels vorhandener Mittel nicht wieder auf und meldete das Gewerbe mit Schreiben vom 25. Juli 2000 ab.

Zum 1. Januar 2001 meldete der Gemeinschuldner ein neues Gewerbe unter der Fa. XX A in B-Stadt an und betrieb dieses auch. Das Finanzamt hat dem Gemeinschuldner eine Steuernummer zugeteilt und unter dieser gab er auch Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Trotz Aufforderung durch den Kläger hat der Gemeinschuldner den pfändbaren Neuerwerb nicht an die Masse abgeführt.

Mit Bescheid vom 2. Mai 2002 setzte das Finanzamt B-Stadt (FA) gegenüber dem Kläger für das Jahr 2002 eine Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung in Höhe von 2.940 EUR fest.

Hiergegen legte dieser Einspruch ein. Die Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung betreffe das Jahr 2002, also einen Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Eine Festsetzung der Steuerschuld gegen die Insolvenzmasse sei nur möglich, wenn es sich bei der Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung um eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 der Insolvenzordnung (InsO) handeln würde. Dies sei aber nicht der Fall. Der ursprüngliche Betrieb des Gemeinschuldners sei nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht fortgeführt worden. Die Umsatzsteuerschuld 2002 dürfe die Masse nicht belasten, da sie aus der neuen gewerblichen Tätigkeit des Gemeinschuldners erwachsen sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 wies das Finanzamt den Einspruch zurück. Der Neuerwerb des Schuldners während des Insolvenzverfahrens falle gemäß § 35 InsO in die Masse. Die Verwertung und Verwaltung unterliege dem Insolvenzverwalter. Folglich müsse auch die Umsatzsteuer für den Neuerwerb gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO von der Masse getragen werden.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vertiefend vor: Die Ansicht des Finanzamtes würde dazu führen, dass der Gemeinschuldner die Möglichkeit hätte, die Masse ohne Zutun des Verwalters zu belasten. Der Grundsatz der Erhaltung und Sicherung der Haftungsmasse für die Massegläubiger und deren gleichmäßige Befriedigung würde verletzt werden. Deshalb werde dem Gemeinschuldner gemäß § 80 Abs. 1 InsO untersagt, für die Dauer des Verfahrens sein Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen. Der Neuerwerbstatbestand des § 35 InsO habe nur zur Folge, dass das aktive Vermögen, das der Gemeinschuldner nach der Insolvenzeröffnung erwerbe, in die Masse falle. Dies gelte nicht für Verbindlichkeiten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung für 2002 vom 2. Mai 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Auffassung fest.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Bescheid über die Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung für 2002 vom 2. Mai 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28. August 2002 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –)...

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