Rz. 1

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist Teilwert der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde; dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt.

 

Rz. 2

Bevor der Begriff des Teilwerts 1934 in das Einkommensteuergesetz Eingang fand, war er 1913 in einem Aufsatz von Mirre[1] erwähnt und in der Rechtsprechung des RFH[2] aus dem Begriff des gemeinen Werts entwickelt worden.[3] Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsgutes bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Dabei sind alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen. Ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind jedoch nicht zu berücksichtigen.

Der Teilwert unterscheidet sich vom gemeinen Wert durch seine Betriebsbezogenheit. Während beim Teilwert die Veräußerung und unveränderte Weiterführung eines gesamten Betriebs unterstellt wird, geht der gemeine Wert von der Einzelveräußerung eines Gutes aus. Damit berücksichtigt der Teilwert, dass ein in ein lebendes Unternehmen eingefügtes Gut regelmäßig einen höheren Nutzen stiftet, als ein einzelnes, unverbundenes Gut. Bei der Ermittlung des gemeinen Werts bleiben ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse außer Betracht (§ 9 Abs. 2 Satz 3 BewG), sie sind aber bei der Ermittlung des erzielbaren Erlöses und des Teilwerts wie alle Umstände, die den Preis beeinflussen, zu berücksichtigen.[4] Der Teilwert liegt regelmäßig über dem gemeinen Wert. Er kann sich mit dem gemeinen Wert decken,[5] aber regelmäßig nicht unter ihm liegen.[6]

 

Rz. 3

Der Teilwert wird als ein objektiver Wert angesehen,[7] der nicht auf der persönlichen Auffassung des einzelnen Kaufmanns über die künftige wirtschaftliche Entwicklung, sondern auf der allgemeinen Auffassung beruht, wie sie in der Marktlage am Bilanzstichtag zum Ausdruck kommt.

Die Fiktion einer Veräußerung des gesamten Unternehmens und seiner Fortführung soll allein der Beantwortung der Frage dienen, was ein Erwerber zum Bilanzstichtag für das jeweilige Wirtschaftsgut im Rahmen des Gesamtkaufpreises gezahlt hätte, wenn er sich in der Lage des Steuerpflichtigen befunden hätte. Damit ist der Einwand ausgeschlossen, dass ein gedachter Erwerber nicht über die besonderen Fähigkeiten verfügen könne, die zur Nutzung der Wirtschaftsgüter des Betriebs erforderlich wären.[8]

Hat die Ware einen Börsen- oder Marktpreis, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass in ihm alle am Bilanzstichtag vorliegenden, den Kurs oder den Preis beeinflussenden Umstände, also auch die Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise über die künftige Entwicklung zum Ausdruck kommen.[9]

Problematisch ist, dass ein Börsen- oder Marktpreis ein dem gemeinen Wert entsprechender unverbundener Individualwert eines Wirtschaftsguts ist und eben nicht die Wertbeeinflussung durch die Einbindung des Wirtschaftsguts in ein Unternehmen widerspiegelt.

[1] Hiller, Bewertungsmaßstäbe im Bilanzsteuerrecht, S. 126 f. m. w. N.
[2] RFH, Urteil v. 14. 12. 1926, VI A 575/26, RFHE 20 S. 87.
[3] Zur Geschichte des Teilwerts vgl. Lange, 75 Jahre Teilwert, S. 116 ff.
[5] In der Rechtsprechung wird die Deckung von Teilwert und gemeinem Wert nicht selten – stark vereinfachend – als Regelfall angesehen, so z. B. BFH, Urteil v. 14.10.2009, X R 45/06, BFH/NV 2010 S. 509, Tz. 24.
[6] Ein unter dem gemeinen Wert liegender Teilwert kann nur in spezifischen Fällen entstehen, so beispielsweise bei Fertigerzeugnissen, bei denen der Verkaufspreis den gemeinen Wert darstellt, ein Käufer des Unternehmens jedoch für diese Güter nur den niedrigeren Teilwert (Verkaufspreis minus Handelsspanne) ansetzen würde.
[7] In der Praxis lässt sich ein Teilwert aber nur aufgrund subjektiver (Wert-)Vorstellungen des Bewertenden ermitteln.

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