Leitsatz

1. Bei einem Körperschaftsteuerbescheid ist der zu besteuernde Lebenssachverhalt das in dem betreffenden Jahr bezogene Einkommen, weshalb im Einspruchsverfahren einzelne Teile des Einkommens dieses Jahres gegeneinander ausgetauscht werden können.

2. Ist eine vGA dem Grunde nach anzunehmen, so ist der Gewinn um die Differenz zwischen dem tatsächlich vereinbarten Preis und dem Preis zu erhöhen, den voneinander unabhängige Vertragspartner unter vergleichbaren Umständen vereinbart hätten (Fremdvergleichspreis).

3. Jede Schätzung des FA ist im Klageverfahren voll nachprüfbar. Das FG kann seine Wahrscheinlichkeitsüberlegungen an die Stelle der des FA setzen, ohne deshalb die Schätzung des FA als rechtsfehlerhaft einstufen zu müssen.

4. Das Akteneinsichtsrecht der Beteiligten erstreckt sich auch auf vom FG beigezogene "fremde" Steuerakten (Abweichung vom BFH-Urteil vom 18.12.1984, VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226). Ein FG kann jedoch von der Beiziehung solcher Akten absehen, wenn die Gefahr einer Verletzung von § 30 AO im Fall der Akteneinsichtnahme durch die Beteiligten besteht.

5. Ein FG darf die Verwertung der vom FA eingebrachten anonymisierten Daten über Vergleichsbetriebe nicht schon im Grundsatz ablehnen.

6. Bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten ist danach zu unterscheiden, ob sich die Pflicht auf eine Tatbestandsvoraussetzung oder die Rechtsfolge eines Besteuerungstatbestands bezieht. Bezieht sie sich auf eine Tatbestandsvoraussetzung, so löst die Pflichtverletzung eine Reduzierung des Beweismaßes für die Ermittlung der einzelnen Tatbestandsvoraussetzung aus. Bezieht sie sich auf eine Rechtsfolge, so rechtfertigt sie regelmäßig die Schätzung der Besteuerungsgrundlage.

7. Verweigert eine inländische Tochtergesellschaft die Auskunft darüber, wie die mit ihrer ausländischen Muttergesellschaft vereinbarten Preise zustande gekommen sind, so kann aus der Pflichtverletzung nur gefolgert werden, dass die vereinbarten Preise durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind. Die vereinbarten Preise können dennoch angemessen sein. Für die Ermittlung des angemessenen Fremdvergleichspreises trägt das FA die objektive Beweislast.

8. Nach deutschem Steuerrecht bestehen außerhalb der §§ 140 ff. AO und der §§ 238 ff. HGB für vGA keine speziellen Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten.

9. Zur Anwendung der sog. Standardmethoden und ihrer Verprobung bei der Ermittlung des Fremdvergleichspreises einer Vertriebstochtergesellschaft.

10. Die Ermittlung des Fremdvergleichspreises kann nicht auf die Wiederverkaufspreismethode gestützt werden, wenn nur auf die Einkäufe von drei unverbundenen Produzenten zurückgegriffen werden kann, die entsprechenden Einkäufe sich nicht auf alle Streitjahre erstrecken und die Einkünfte nur zu höchstens 5 % des Gesamtumsatzes der Vertriebsgesellschaft führen.

11. Ergibt sich auf der Basis der Preisvergleichs- oder der Wiederverkaufspreismethode nur eine Bandbreite angemessener Fremdvergleichspreise, so besteht für die Schätzung eines Mittelwerts regelmäßig keine Rechtsgrundlage. Die Schätzung muss sich an dem für den Steuerpflichtigen günstigsten Bandbreitenwert orientieren.

 

Normenkette

§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG , § 30 AO , § 90 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin einer nach deutschem Recht im Jahr 1980 gegründeten inländischen GmbH, die X. Deren Unternehmensgegenstand war der Vertrieb von Bekleidungsartikeln und modischem Zubehör aller Art in Deutschland und anderen europäischen Ländern. Die Gesellschafter der X wechselten vielfach und waren in den Streitjahren 1986 und 1988 bis 1990 zunächst eine niederländische und später eine italienische Gesellschaft. Letzere war aber von Anfang an der "Hintermann" und das eigentlich beherrschende Unternehmen, die Muttergesellschaft (M).

Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1985 bis 1987 vertrat das FA die Auffassung, die von der X an ihr nahe stehende Unternehmen gezahlten Lizenzgebühren seien als vGA zu behandeln, weil die X Aufwendungen im Interesse der italienischen M getragen habe.

Das FA stellte dazu fest: Vor Gründung der X vertrieb die M die von ihr hergestellten Produkte über selbstständige Handelsvertreter und über eine eigene Tochtergesellschaft. Ab 1981/82 verkaufte die X Bekleidungsartikel auch im eigenen Namen und auf eigene Rechnung. Sie bezog die Bekleidungsartikel zu 95 bis 99 % von der M. Die Rohgewinnmarge im Eigenhandel änderte sich mehrfach. Sie betrug für die Jahre 1980 bis 1984 bezogen auf die Verkaufspreise der X 18 %, für die Jahre 1985 bis 1987 20 % und für die Jahre 1988 bis 1990 24 %.

Das FA hielt u.a. die Rohgewinnmarge von 24 % für unangemessen niedrig. Es setzte für die Jahre 1981 bis 1985 eine Marge von 28 % und für die Jahre 1986 bis 1990 eine solche von 26 % der Eigenhandelsumsätze an, wobei es die nach seiner Auffassung angemessene Rohgewinnspanne auf der Basis der Wiederverkaufspreismethode durch einen externen Vergleich mit vier "fremden" Vertriebsgesellschaften ermittelte, die auf dem g...

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