Rz. 36

Die unentgeltliche Übertragung nach § 6 Abs. 3 EStG eines Teils eines Mitunternehmeranteils bei gleichzeitigem Vorhandensein von funktional wesentlichem Sonderbetriebsvermögen ist grundsätzlich unabhängig davon möglich, ob Sonderbetriebsvermögen mitübertragen wird. Da allerdings unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich des Bestehens von Sperrfristen/Behaltefristen (für den Rechtsnachfolger) bestehen, muss im Zuge der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils dahingehend unterschieden werden, ob die Übertragung von Sonderbetriebsvermögen

  • (genau) quotal (quotenentsprechende Übertragung von Gesellschaftsanteil und wesentlichem Sonderbetriebsvermögen [siehe nachstehend Fall 1 des Beispiels]) bzw. überquotal [Fall 4 des Beispiels] erfolgt (kein Auslösen einer Sperr-/Behaltensfrist)

    oder aber

  • kein Sonderbetriebsvermögen (d. h., dieses verbleibt Sonderbetriebsvermögen beim Übertragenden; [Fall 2 des Beispiels]) oder lediglich unterquotal [Fall 3 des Beispiels] Sonderbetriebsvermögen mitübertragen wird (Auslösen einer 5-jährigen Sperr-/Behaltensfrist).[1]

6.2.1 Quotale und disquotale Übertragung von Gesellschaftsanteil und Sonderbetriebsvermögen

 

Rz. 37

Die vorstehenden Ausführungen werden nachstehend anhand eines Beispiels aus dem Schrifttum dargestellt.[1]

 
Praxis-Beispiel

V hält an einer GmbH & Co. KG einen 60 %igen Kommanditanteil. Um seinen Sohn als Nachfolger aufzubauen, überträgt er ihm unentgeltlich die Hälfte seines Mitunternehmeranteils, sodass er mit 30 % beteiligt bleibt. Ein Grundstück, das wesentliches Sonderbetriebsvermögen ist, wird unterschiedlich mitübertragen.

 
  Übertragung Gesellschaftsanteil zu Übertragung SBV zu Rechtsfolge
Fall 1 50 % 50 %

Buchwertfortführung

(§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG; keine Sperrfrist)
Fall 2 50 % 0 %

Buchwertfortführung

(§ 6 Abs. 3 Satz 2 EStG; 5-jährige Sperrfrist)
Fall 3 50 % 40 %

Buchwertfortführung

(§ 6 Abs. 3 Satz 2 EStG; 5-jährige Sperrfrist)[2]
Fall 4 50 % 100 %

Buchwertfortführung

(§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG; keine Sperrfrist)
[1] Das Beispiel basiert auf Förster, FR 2002, S. 654 sowie den Ausführungen der Finanzverwaltung im BMF, Schreiben v. 20.11.2019, IV C 6-S 2241/15/10003, BStBl 2019 I S. 1291, Rz. 18 ff.
[2] Es wird auch die Auffassung vertreten, dass § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt ist, soweit sich die Quoten decken und dass nur soweit die Quote des übertragenen Mitunternehmeranteils die Quote des übertragenen Sonderbetriebsvermögens übersteigt, § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG und somit auch die Behaltefrist zur Anwendung kommt. Vgl. Ehmcke, in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, § 6 EStG Rz. 1245, Stand: 11/2022.

6.2.2 Behaltens-/Sperrfristen

 

Rz. 38

Die 5-jährige Behaltensfrist des § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG, wonach der Rechtsnachfolger den übernommenen Mitunternehmeranteil über einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren nicht veräußern oder aufgeben darf, ist in den vorstehenden Beispielsfällen 2 und 3 zu beachten, während in den anderen Fällen die Behaltensfrist nicht zur Anwendung kommt, da die Übertragungen hier gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 EStG erfolgen. 

 

Rz. 39

Veräußert oder gibt der Rechtsnachfolger den gesamten übernommenen Mitunternehmeranteil innerhalb der 5-Jahresfrist auf, so entfällt rückwirkend (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) das im Rahmen der Übertragung gewährte Buchwertprivileg.[1] Für die gesamte Übertragung nach § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG sind in diesem Fall rückwirkend auf den ursprünglichen Übertragungsstichtag die Teilwerte anzusetzen. Der dabei beim Übertragenden entstehende Gewinn ist laufender Gewinn (§ 16 Abs. 1 Satz 2 EStG i. V. m. § 16 Abs. 3 EStG), welcher auch der Gewerbesteuer unterliegt. Der Übernehmer hat die aufgedeckten stillen Reserven in einer Ergänzungsbilanz zu aktivieren, was gegebenenfalls zu einer höheren Bemessungsgrundlage für die Abschreibung (AfA) führt.[2]

 

Rz. 40

Strittig ist, ob eine teilweise Veräußerung des übernommenen Mitunternehmeranteils innerhalb der 5-jährigen Sperrfrist zum rückwirkenden Wegfall des vollständigen Buchwertprivilegs oder, lediglich anteilig bzw. nicht zur rückwirkenden Aufdeckung der stillen Reserven führt.[3] Nach Auffassung der Finanzverwaltung führt sowohl die Veräußerung eines Teils des übernommenen Mitunternehmeranteils, eines Teils des übernommenen (Nur-)Gesamthandsvermögens, als auch eines Teils des übernommenen funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögens zur rückwirkenden vollständigen Aufdeckung der stillen Reserven (Versagung des Buchwertprivilegs). Lediglich sofern der Rechtsnachfolger bereits vor der Übertragung an der Mitunternehmerschaft beteiligt war, ist eine Veräußerung bis zu der vor der Übertragung bestehenden Quote zulässig.[4]

Die unentgeltliche Weiterübertragung innerhalb der Sperrfrist ist nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht schädlich. Allerdings tritt der Übernehmer in diesem Fall in die Behaltensfrist des bisherigen Rechtsnachfolgers ein.

 

Rz. 41

Neben dieser Behaltensfrist findet das Buchwertprivileg des § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG grundsätzlich nur Anwendung, wenn das zurückbehaltene Wirtschaf...

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