Leitsatz

Schadenersatz, der einem Steuerpflichtigen infolge einer schuldhaft verweigerten Wiedereinstellung zufließt, ist eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, die bei zusammengeballtem Zufluss tarifbegünstigt zu besteuern ist.

 

Normenkette

§ 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger (A) war Arbeitnehmer einer GmbH. Als das Arbeitsverhältnis beendet wurde, weil A zu einem neuen Arbeitgeber wechselte, sagte ihm die GmbH zu, ihn nach einem Ausscheiden bei dem neuen Arbeitgeber wieder anzustellen, ggf. in einem anderen Unternehmen des Konzerns. Als A den Posten bei dem neuen Arbeitgeber unverschuldet verlor, lehnte die GmbH jedoch eine Wiedereinstellung ab.

A verlangte mit Schreiben vom 26.10.1992 unter Fristsetzung von 14 Tagen vergeblich wieder eingestellt zu werden. Im März 1994 verurteilte das Arbeitsgericht die GmbH zunächst mit Teilurteil zur Wiedereinstellung, die am 18.4.1995 erfolgte. Im März 1996 verurteilte das Arbeitsgericht die GmbH mit Schlussurteil zum Schadenersatz. A müsse so gestellt werden, als sei er zum 10.11.1992 eingestellt worden.

Den daraufhin von der GmbH gezahlten Betrag sah das FA nicht als begünstigte Entschädigung nach § 34 Abs. 1, 2 EStG. Das FG wies die Klage ab (EFG 2005, 281).

 

Entscheidung

Der BFH hob das finanzgerichtliche Urteil auf und gab der Klage statt. Er sah die Schadenersatzleistung als tarifbegünstigte Entschädigung an.

 

Hinweis

1. Im Besprechungsfall hatte A aufgrund der vertraglichen Zusage seiner früheren Arbeitgeberin (GmbH) einen Anspruch auf Wiedereinstellung. Diesen Anspruch hätte die GmbH zum 10.11.1992 erfüllen müssen, nachdem A am 26.10.1995 unter Fristsetzung von 14 Tagen die Wiedereinstellung verlangt hatte. Erfüllt hat die GmbH den Anspruch aber erst am 18.4.1995, nachdem sie durch das Arbeitsgericht zur Wiedereinstellung verurteilt worden war. Der Schadenersatz, den die GmbH daraufhin wegen zeitweiliger Nichterfüllung der Wiedereinstellungsverpflichtung für die Zeit vom 10.11.1992 bis 18.4.1995 an A zu zahlen hatte, ist ein Ersatz für entgangene Einnahmen i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.

2. Bei dieser Schadenersatzzahlung handelt es sich nicht um die Zahlung von Arbeitsentgelt, wie das FG und das FA angenommen haben. Eine "Erfüllung" von sich aus einem Dienstvertrag ergebenden Ansprüchen kann schon deshalb nicht angenommen werden, weil in dem Zeitraum, für den die Schadenersatzleistung erbracht worden ist, gerade kein Dienstvertrag bestanden hat. Die Wiedereinstellungsklausel als solche ist zivilrechtlich (noch) keine Rechtsgrundlage für Vergütungsansprüche. Die Rechtslage entspricht hier daher der eines beendeten Dienstverhältnisses (siehe dazu BFH, Urteil vom 15.10.2003, XI R 17/02, BFH-PR 2004, 91).

3. Unter Änderung seiner früheren Rechtsprechung hat der BFH mit Urteil vom 10.9.2003, XI R 9/02 (BFH-PR 2004, 122) entschieden, dass eine Entschädigung i.S.d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG auch dann vorliegt, wenn bereits bei Beginn eines Dienstverhältnisses ein Ersatzanspruch für den Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses (aufgrund betriebsbedingter Kündigung oder wegen Nichtverlängerung des Vertrags) vereinbart wird. Entsprechendes gilt, wenn bereits bei der Zusage der Wiedereinstellung für den Fall der Verweigerung der Wiedereinstellung ein Ersatzanspruch vereinbart wird. Im Streitfall ist zwar ein solcher Ersatzanspruch nicht vereinbart worden, ein Ersatzanspruch aufgrund der Wiedereinstellungsklausel ergibt sich allerdings aus dem Gesetz (§§ 284, 286 BGB). Im Rahmen des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist es aber irrelevant, ob Ersatzansprüche vertraglich oder gesetzlich begründet sind.

4. Da der Ersatz für die entgangenen Einnahmen dem A in einem Betrag im Jahr 1996 gezahlt wurde, ihm also zusammengeballt zugeflossen ist, ist er nach § 34 Abs. 1, 2 EStG begünstigt.

Wie A steuerlich zu behandeln gewesen wäre, wenn er wieder eingestellt worden wäre und laufenden Arbeitslohn bezogen hätte, ist unerheblich. Denn die Besteuerung richtet sich nach dem tatsächlich verwirklichten Sachverhalt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 6.7.2005, XI R 46/04

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