Leitsatz

Für Dividenden, die eine in Frankreich ansässige Kapitalgesellschaft an eine in Deutschland ansässige KGaA zahlt, ist das sog. Schachtelprivileg des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a S. 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa S. 1 DBA-Frankreich a.F. (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a S. 1 und Buchst. b S. 1 DBA-Frankreich n.F.) auch dann in voller Höhe zu gewähren, wenn persönlich haftende Gesellschafterin der KGaA eine Personengesellschaft ist.

 

Normenkette

Art. 9 Abs. 4 S. 1, Art. 20 Abs. 1 Buchst. a S. 1, Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa S. 1 DBA-Frankreich a.F., § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG 1990

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine KG, war bis 2009 eine OHG, an der im Streitjahr 1996 sowohl unbeschränkt als auch im Umfang von rd. 30,86 % beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt waren. Die Klägerin war ihrerseits Komplementärin einer börsennotierten KGaA und hielt an dieser einen Anteil von 73,837 %; die übrigen Anteile der KGaA wurden von Kommanditaktionären gehalten.

Die KGaA hielt u.a. zu ca. 99 % bzw. 100 % Beteiligungen an zwei französischen Kapitalgesellschaften. Aus diesen Beteiligungen vereinnahmte sie im Streitjahr 1996 phasengleich Dividenden, von denen für das Streitjahr quotal ein Teil auf die Klägerin entfiel.

Die Klägerin beanspruchte für die der KGaA zugeflossenen Brutto-Bardividenden aus den beiden französischen Beteiligungen das sog. Schachtelprivileg gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. a S. 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa S. 1 DBA-Frankreich a.F. (nunmehr Art. 20 Abs. 1 Buchst. a S. 1 und Buchst. b S. 1 DBA-Frankreich n.F.).

Das FA folgte dem nur in Bezug auf die Kommanditaktionäre, nicht aber in Bezug auf die Klägerin als (personalistische) Komplementäraktionärin, und stellte die Besteuerungsgrundlagen entsprechend fest.

Die dagegen gerichtete Klage war erfolgreich (Hessisches FG, Urteil vom 23.06.2009, 12 K 3439/01, Haufe-Index 2340374).

 

Entscheidung

Auch der BFH entschied zugunsten der Klägerin:

Zwar sei die Komplementärin einer KGaA, wenn diese eine Personengesellschaft sei, an sich nicht abkommensberechtigt. Insbesondere stünden ihr auch nicht die DBA-Vorteile zu. Bei dem sog. Schachtelprivileg sei das aber anders. Hier werde allein auf die Qualifikation einer Kapitalgesellschaft abgestellt, und dass es sich bei einer KGaA unbeschadet ihres "hybriden" Charakters um eine solche Gesellschaft handele, stehe außer Frage.

 

Hinweis

1. Es handelt sich um ein gestaltungswichtiges Urteil im "Dunstkreis" der "hybriden" Rechtsform der KGaA, die einerseits "Züge" einer normalen Mitunternehmerschaft hat ("Mitunternehmerkonzept"), andererseits aber zweifelsfrei eine Kapitalgesellschaft ist ("Trennungsprinzip"). Grund dafür ist zum einen § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, der die KGaA als unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaft ansieht, und andererseits § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG, der die Gewinnanteile des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA sowie dessen Sondervergütungen in den Bereich des Mitunternehmerischen zieht. Im Kontext damit bestimmt § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG, dass jene der transparenten Besteuerung unterworfene Beträge bei der KGaA abziehbare Betriebsausgaben sind.

2. Im Urteilsfall ging es nun darum, ob der KGaA als Empfängerin von Gewinnanteilen einer Auslandskapitalgesellschaft das sog. DBA-Schachtelprivileg zusteht oder nicht.

a) Die Zweifel (und der hochkarätig vertretene Streit) um diese Frage hängen im Kern damit zusammen, dass das Schachtelprivileg eine abkommensrechtliche Entlastung (von der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung der nämlichen Dividenden) nur für Kapitalgesellschaften darstellt. Um eine Kapitalgesellschaft aber handelt es sich bei der KGaA. Das ist zweifelsfrei.
b) Was aber ist, wenn persönlich haftende Gesellschafterin einer solchen KGaA eine Personengesellschaft ist? Einer solchen steht das Privileg an sich nicht zu. Sie ist nicht einmal abkommensberechtigte "Person".

Der BFH "entwindet" sich dieser Fragen, indem er abermals schlicht darauf abstellt, dass das Schachtelprivileg kraft Normtextes "Kapitalgesellschaften" gebührt. Kapitalgesellschaften sind abkommensberechtigt. Die (interne) Gesellschafterstruktur bleibt insoweit außer Betracht.

So gesehen ist es einerlei, dass das deutsche Steuerrecht einerseits originäre gewerbliche Einkünfte des persönlich haftenden Gesellschafters annimmt (sog. Wurzeltheorie) und dass andererseits Zurechnungsfragen nicht Gegenstand der Abkommensvereinbarung, sondern allein des nationalen Rechts sind: Das Abkommensrecht setzt sich über die nationale Zurechnung hinweg und begünstigt die KGaA als solche; die (Teil-)Transparenz der "hybriden" KGaA wirkt sich nicht aus. Dafür, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG umgekehrt als sog. Treaty override konzipiert wäre, wonach das Abkommensrecht hinter dem nationalen Steuerrecht zurücktreten können soll, ist nichts ersichtlich. Die Qualifikation der KGaA als Kapitalgesellschaft gibt den Ausschlag.

3. Kurzum: Die KGaA kann das DBA-Schachtelprivileg als Empfängerin des Dividendenzuflusses in toto b...

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