Leitsatz

Zinsen auf das Eigenkapital ("juro sobre o capital próprio") nach Maßgabe der Brasilianischen Gesetze Nr. 9.249/95 und Nr. 9.430/96 sind sowohl Gewinnanteile i.S. d. § 26 KStG 1999 und des § 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG als auch – nach dem auch insoweit maßgebenden deutschen Steuerrecht (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) – Dividenden i.S. v. Art. 10 Abs. 1 und 5 DBA-Brasilien. Als solche sind sie nach Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien von der Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer auszunehmen. Die Abziehbarkeit der geleisteten Vergütungen im Quellenstaat (hier in Brasilien) ändert daran mangels eines allgemeinen abkommensrechtlichen Korrespondenzgebots nichts.

 

Normenkette

Art. 3 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1, 2 und 5, Art. 11 Abs. 2, Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien; § 8b Abs. 5 und 7, § 26 Abs. 5 KStG 1999; § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002 i.d.F. des JStG 2007, §§ 7 Satz 1 und 9 Nr. 7 Satz 2 GewStG 1999

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine AG, ist kraft Verschmelzung im Jahr 2000 Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH, der F-GmbH, einer Beteiligungsgesellschaft und -holding geworden.

Die F-GmbH hielt im Streitjahr 1999 die Geschäftsanteile an einer Schweizer AG (F-CH AG), deren Geschäftszweck ebenfalls das Halten und Verwalten von internationalen Beteiligungen war. Die F-CH AG wiederum war zu 26 % an einer brasilianischen Kapitalgesellschaft (F-B S.A.) sowie zu 85 % an einer in Hongkong ansässigen Kapitalgesellschaft beteiligt.

Bei der F-B S.A. handelte es sich um eine nach brasilianischem Recht gegründete AG. Ihr Unternehmenszweck war im Streitjahr insbesondere die Herstellung, Im- und Export sowie Vermarktung von verschiedenen Produkten. 1998 beschloss ihre Hauptversammlung, ausschließlich für das zum 31.12.1998 endende Geschäftsjahr – z.T. in 1998, z.T. in 1999 – Zinsen auf das Eigenkapital ("juro sobre o capital próprio") nach Maßgabe der Brasilianischen Gesetze Nr. 9.249/95 und Nr. 9.430/96 an die Aktionäre auszuzahlen; die Zinsen sollten anstelle der satzungsgemäß vorgesehenen Dividende gezahlt werden.

Die Verzinsung des Eigenkapitals ist in Brasilien im Gesetz Nr. 9.249/95 geregelt. Anstelle bzw. neben einer regulären Dividende kann die Gesellschafterversammlung danach die Zahlung einer Eigenkapitalverzinsung beschließen. Die Verzinsung ist in der Höhe zweifach begrenzt. Zum einen darf sie den von der brasilianischen Zentralbank bekannt gegebenen Zinssatz für langfristige brasilianische Anleihen multipliziert mit dem Eigenkapital der Gesellschaft nicht überschreiten. Zum anderen darf maximal die Hälfte des Jahresüberschusses oder die Hälfte der Gewinnvorträge gezahlt werden. Die ausschüttende Gesellschaft kann die Eigenkapitalverzinsung außerbilanziell steuermindernd vom Einkommen abziehen. Die Auszahlung der Eigenkapitalverzinsung unterliegt einem 15 %igen Quellensteuerabzug, der für brasilianische Gesellschafter, die natürliche Personen sind, abgeltende Wirkung hat.

Die Generalversammlung der F-CH AG beschloss 1999 eine Dividendenausschüttung, die der F-GmbH nach Abzug der Schweizer Quellensteuer zufloss.

Die F-GmbH behandelte die Dividende der F-CH AG in Höhe eines Anteils gem. § 26 Abs. 5 Satz 2 KStG 1999 als direkt von der Enkelgesellschaft – der F-B S.A. – bezogen und gem. Art. 24 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c DBA-Brasilien i.V.m. § 8b Abs. 5 KStG 1999 als steuerfrei. Das FA folgte dem nicht.

Die anschließenden Klagen gegen den hiernach ergangenen KSt- und GewSt-Messbescheid waren erfolgreich (FG Nürnberg, Urteile vom 14.12.2010, 1K 1955/2008, Haufe-Index 2604230, EFG 2011, 981 und 1K 1958/2008, Haufe-Index 2713530, IStR 2011, 234).

 

Entscheidung

Der BFH hat das FG bestätigt: Die Schachtelprivilegierung sei zu gewähren. Die F-GmbH habe als mittelbar Beteiligte an der F-B S.A. Dividenden vereinnahmt, und zwar unbeschadet dessen, dass es sich hierbei nach brasilianischem Recht um Eigenkapitalzinsen handele und dass diese im Rahmen bestimmter Höchstbeträge in Brasilien von der Bemessungsgrundlage abziehbar seien. Auch derartige "hybride" Gewinnausschüttungen könnten bei entsprechender gesellschaftlicher Veranlassung zu "privilegierende" Dividenden sein.

 

Hinweis

Es geht der "äußeren" Rechtsgrundlage nach um das alte, zwischenzeitlich seitens der Bundesregierung aufgekündigte DBA-Brasilen. Die Kernaussagen des Urteils gehen aber weit darüber hinaus und sind grundsätzlicher Natur:

1. Das betrifft zunächst die Aussage des BFH, dass das abkommensrechtliche Schachtelprivileg für Dividenden aus deutscher Sicht uneingeschränkt einzuräumen ist, auch dann, wenn die Gewinnausschüttung im anderen Vertragsstaat "hybrid" behandelt und sie deswegen dort als Betriebsausgabe abziehbar ist.

Ein allgemeines Korrespondenzprinzip, welches geeignet wäre, das korporationsrechtliche Trennungsprinzip zwischen der Gesellschafts- und der Gesellschafterebene für derartige Hybridfälle zu überspielen, ist dem internationalen wie dem deutschen Steuerrecht unbekannt. Es ist gleichermaßen unbekannt, dass eine d...

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