Bevor sich die Frage stellt, ob sich Risikomanagement lohnt, sollte untersucht werden, welchen Risikoarten das Beschaffungsmanagement ausgesetzt ist. Die als am wichtigsten eingestuften Risiken schwanken von Branche zu Branche und sind oft auch von aktuellen Geschehnissen beeinflusst. Eine Übersicht der häufig vorkommenden Risikoarten wird in Tab. 3 strukturiert dargestellt.

 
Lieferantenrisiken Produktionsrisiken Ökonomische Risiken Rechtliche Risiken Politische Risiken
Single Sourcing Schlechte Qualität, Ausschuss Wechselkurse und Währungen Durchsetzbarkeit von Verträgen Bürokratie
Angebots- und Nachfragemacht Ausbildungsniveau der Mitarbeiter Inflation Produkthaftung Politischer und sozialer Sprengstoff
Lieferausfälle Fehlmengen Konjunkturschwankungen Patent- und Markenschutz Hohe Arbeitslosenquote
Lange Lieferzeiten Probleme bei Neuanlauf der Produktion Infrastruktur Arbeitsbedingungen Korruption und Bestechung
Mentalität, Sprache Sicherheitsbestände Investitionsklima Wirtschaftliche Beteiligungen Enteignung
Lieferanteninsolvenz Technologie-stand Steuerniveau Compliance Regeln  
Preisrisiko   Umweltschutz Markenpiraterie  
      Gewährleistung, Garantie und Vertragsstrafen  

Tab. 3: Übersicht über die wichtigsten Risiken

Währungsrisiken

Ein Bereich der oben dargestellten ökonomischen Risiken stellen die Währungsrisiken dar. Durch den Brexit im Jahr 2016 verlor das englische Pfund innerhalb weniger Tage mehr als 10 % an Wert. Die meisten Handelspartner Großbritanniens traf der Brexit völlig unerwartet, sie waren darauf nicht vorbereitet. Gleichzeitig stieg der Wert des Dollars gegenüber englischem Pfund und Euro.

In den letzten Jahren hat bspw. der Euro gegenüber wichtigen Währungen wie dem Dollar abgewertet. Dies verteuert die Einkäufe, welche in Dollar abgerechnet werden. Gleichzeitig erhöht es natürlich die Wettbewerbsfähigkeit für deutsche Produkte im Ausland, die dadurch billiger werden. Für die Beschaffung ergeben sich höhere Einkaufspreise von in Dollar abgerechneten Einkaufsprodukten. Beim Verkauf der Produkte ergeben sich unter Umständen Wettbewerbsvorteile des Unternehmens durch den günstigen Eurokurs im Vergleich zu anderen Währungen. Abb. 4 zeigt die Entwicklung des Dollarkurses von 2007 bis 2016. Während man im Jahr 2008 noch für einen Euro den Gegenwert von 1,60 Dollar bekam, schwankte der Euro im Jahr bei ca. 1,10 Dollar. Dies bedeutet einen Wertverlust des Euro gegenüber dem Dollar von ca. 30 %.

Abb. 4: Wechselkurs Euro/US-Dollar[1]

Compliance

Ein weiterer Risikofaktor stellen die vielfältigen rechtlichen Risiken dar. Die Medien bringen hier in regelmäßigen Abständen Berichte über Verstöße gegen die Compliance Regeln. Das Kartellamt verhängt regelmäßig Strafen in Millionenhöhe gegen Unternehmen welche der Korruption überführt werden oder sich an ungesetzlichen kartellrechtswidrigen Absprachen beteiligen.

 
Praxis-Beispiel

Kartellstrafen

So verhängte das Bundeskartellamt Bußgelder in Höhe von über 106 Mio. EUR gegen mehrere Brauereien, einer der Geschädigten war auch die Deutsche Bahn, welche die Getränke zu überhöhten Preisen eingekauft hatte. Vier Hersteller von Gipsplatten mussten nach einer Entscheidung der EU-Kommission ein Bußgeld in Höhe von 478 Mio. EUR zahlen. Weitere Bußgelder in Höhe von 150 Mio. EUR wurden gegen mehrere Supermarktketten verhängt, weil sie Preise für Süßwaren, Kaffee, Tiernahrung, Bier und Kosmetika abgesprochen hatten.

Code of Conduct des BME

Der vom Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME) herausgegebene Code of Conduct umfasst fundamentale Regeln zu folgenden Bereichen:

  • Korruption
  • Kartellrechtwidrige Absprachen
  • Kinder- und Zwangsarbeit
  • Einhaltung ethischer Grundsätze gegenüber Lieferanten (Compliance)
  • Einhaltung von Menschenrechten
  • Umwelt- und Gesundheitsschutz
  • Faire Arbeitsbedingungen

Die BME-Verhaltensrichtlinie verweist auch auf den internationalen Referenzrahmen des "UN Global Compact" und damit auf weltweite unternehmensübergreifende Zusammenhänge. Die Einhaltung von Compliance-Regeln ist für das Unternehmen und die Einkaufsabteilung elementar und oft Bestandteil des Einkaufshandbuches.

Produktpiraterie

Ein weiterer Risikofaktor im rechtlichen Segment stellt für den Einkauf die Produktpiraterie dar. Ungefähr 10 % aller Ersatzteile sind gefälscht. Nach Angaben der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) in beläuft sich der Anteil an gefälschten Waren auf 5–9 % des gesamten Welthandels, was einem Handelsvolumen von 450 Mrd. Dollar entspricht.

 
Praxis-Beispiel

Konkurs durch Kopien

Der Lederfabrikant MCM, Hersteller u. a. von Luxustaschen, hatte innerhalb von 6 Jahren einen Umsatzeinbruch von 85 % zu verzeichnen. Dies war der Hauptgrund für den Untergang des Unternehmens.

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