Leitsatz

Nicht der Gewerbesteuer unterliegende Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Gewerbebetriebs können, soweit sie auf nach § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigte Wirtschaftsgüter entfallen, nach § 6b EStG auf Wirtschaftsgüter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs übertragen werden.

 

Normenkette

§ 6b Abs. 4 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Ein Landwirt hatte neben seinem landwirtschaftlichen Betrieb einen Campingplatz unterhalten. Den Campingplatz verkaufte er im Jahr 1996 und stellte einen Teil des Veräußerungsgewinns in eine Rücklage nach § 6b Abs. 3 EStG bei seinem landwirtschaftlichen Betrieb ein. Das FA beurteilte den Vorgang als Betriebsaufgabe des Campingplatzes und war der Meinung, der dabei erzielte Gewinn könne nicht in eine Rücklage im landwirtschaftlichen Betrieb eingestellt werden.

Die Klage vor dem FG hatte Erfolg (Niedersächsisches FG, Urteil vom 3.6.2009, 4 K 12096/05, Haufe-Index 2209033, EFG 2009, 1638).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte das FG-Urteil. Das Übertragungsverbot des § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG erfasse seinem Wortlaut nach nur Gewinne bei der Einzelveräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs und außerdem seinem Zweck nach nur der GewSt unterliegende Gewinne.

 

Hinweis

1. Das Urteil betrifft Unternehmer, die neben einem Gewerbebetrieb auch einen Betrieb mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft oder aus selbstständiger Arbeit unterhalten. § 6b Abs. 4 Satz 2 EStG untersagt die Übertragung stiller Reserven aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Gewerbebetriebs auf Wirtschaftsgüter, die zum Betriebsvermögen nicht gewerblicher Betriebe gehören.

2. Zweck der Regelung ist es, der GewSt unterliegende stille Reserven nicht mithilfe einer Übertragung nach § 6b EStG in einen Betrieb zu verlagern, aus dem keine der GewSt unterliegenden Einkünfte erzielt werden. Deshalb wird im Fachschrifttum schon lange vertreten, das Übertragungsverbot dürfe nicht für Gewinne gelten, die gar keiner GewSt-Belastung unterliegen. Das gilt insbesondere für Gewinne aus der Aufgabe oder Veräußerung eines Einzelgewerbebetriebs, die nach ständiger Rechtsprechung und Verwaltungspraxis der GewSt nicht unterliegen. In § 7 Satz 2 GewStG ist diese Handhabung für Einzelgewerbetreibende mittlerweile vom Gesetzgeber bestätigt worden.

Mit dem Besprechungsurteil gestattet der BFH nun Übertragungen von Betriebsaufgabe- und Betriebsveräußerungsgewinnen auf Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Betriebe der selbstständigen Arbeit. Wie dieses Ergebnis begründet wird, kann für die Praxis letztlich dahinstehen. Nach Ansicht des BFH ergibt sich das einschränkende Auslegungsergebnis schon unmittelbar aus dem Wortlaut der Regelung. Dort heißt es, dem Übertragungsverbot unterlägen Gewinne, die "bei der Veräußerung von Wirtschaftsgütern eines Gewerbebetriebs" entstanden sind. Dies seien nur Gewinne aus der Einzelveräußerung von Wirtschaftsgütern des Gewerbebetriebs.

3. Der Urteilsfall zeigt, dass man auch Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe des Betriebs in eine Rücklage bei einem anderen Betrieb einstellen kann. Konsequenz daraus ist allerdings, dass der ermäßigte ESt-Tarif nicht mehr in Anspruch genommen werden kann.

Stellt man den ganzen Gewinn in eine Rücklage ein und kommt es später nicht in vollem Umfang zu einer geeigneten Reinvestition, unterliegt der Gewinn aus der Zwangsauflösung der (Rest-)Rücklage nicht nur dem vollen ESt-Tarif, sondern wird auch noch um einen Gewinnzuschlag von 6 % für jedes Wirtschaftsjahr (§ 6b Abs. 7 EStG) erhöht. Nimmt man § 6b EStG nur für einen Teil des Gewinns in Anspruch, geht für den restlichen Betriebsaufgabe- oder Betriebsveräußerungsgewinn der Anspruch auf Tarifbegünstigung verloren (§ 34 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 3 Satz 6 EStG).

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 30.8.2012 – IV R 28/09

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