Der Übergang von einer klassischen Projektsteuerung über Management-Strukturen hin zu agiler Führung ist häufig ein längerer Prozess. Konzepte agiler Führung, Übergabe von echter Verantwortung an Themenverantwortliche – und der damit gleichzeitig verbundene gefühlte Verlust von Kontrolle muss nicht schlagartig erfolgen. Auch hier kann es sinnvoll sein, eine Organisation Schritt für Schritt an das neue Modell heranzuführen.

Agile Organisationen sind nicht führungslos, lediglich das Konzept der Führung ändert sich. Statt Management by Objectives gilt es, die Mitarbeitenden über klare Visionen für ein gemeinsames Ziel zu begeistern und auf dem Weg dorthin nach Bedarf das Team zu unterstützen und zum Beispiel Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Eine klare Vision sowie ein authentischer Purpose fördern das Wollen der Organisation über Abteilungen und Hierarchien hinweg. Wenn allen Beteiligten klar ist, warum eine Veränderung ansteht und sie einen Sinn hinter dieser Veränderung sehen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass auch die entsprechende Bereitschaft entsteht, auf diese Vision gemeinsam hinzuarbeiten.

Auch die Befähigung der Mitarbeitenden durch gezielte Trainings aber vor allem durch begleitendes Coaching der Führungspersonen gewinnt immer stärker an Bedeutung. Das gestalterische Element von Führung wird immer wichtiger in einer agilen Organisation, was auch für die Führungskraft sehr bereichernd sein kann.[1]

In Bezug auf die Entscheidungsfindung gewinnt der individuelle Erfahrungsschatz der Kollegen an Bedeutung. Um diesen gewinnbringend in das agile Projekt einzubringen, gilt es Formate einzuführen, welche dazu beitragen, dass die Perspektiven von Führungskräften wie auch weiteren erfahrenen Mitarbeitenden effizient integriert werden. Mögliche Lösungen können hier beispielsweise Sprint Reviews oder Beratungsgremien sein. Dort reflektiert das Projektteam regelmäßig den Fortschritt und die Kolleginnen und Kollegen können ihre Perspektive einbringen. Wichtig hierbei ist, dass jede Stimme gleichberechtigt behandelt wird.

Nicht alle Perspektiven müssen vom Team berücksichtigt werden. Gerade im agilen Umfeld vermehrt verwendete Methoden zur Entscheidungsfindung sind das Finden eines Konsent sowie das systemische Konsensieren. Während es beim herkömmlichen Konsens darum geht, eine Lösung mit größtmöglichem Zuspruch zu finden, nutzen das systemische Konsensieren wie auch der Konsent den Widerstand bezüglich einer Entscheidung.[2] Beim systemischen Konsensieren geht es nicht darum, im Zweifel die Lösung mit dem größten Zuspruch der Entscheider, sondern die Lösung mit dem geringsten Widerstand zu finden. Beim Konsent wiederum wird nicht nach den "Pro"-Aspekten, sondern gezielt nach sachlich begründeten Einwänden hinsichtlich einer Entscheidung gefragt. Eine Entscheidung wird nach der Maßgabe "Good enough for now, safe enough to try" getroffen[3]. Welche Methoden auch immer gewählt werden, die Transparenz der Kommunikation spielt hier eine wesentliche Rolle.[4]

 
Praxis-Beispiel

Case Study ServCo GmbH: Wissensaufbau

Am Start des Projektes ergeben sich schnell viele Fragen bei den im Projekt beteiligten Controllern: Wie funktioniert eine Sprint-Planung? Warum gibt es keinen Projektplan? Was ist ein Backlog? Was ist eine User-Story und wie verfasse ich die richtig? Für eine formale Ausbildung in agilen Konzepten war die Zeit bis zum Projektstart leider nicht ausreichend. Man entschloss sich daher, zunächst einen Workshop als rudimentäre Grundausbildung für alle Projektbeteiligten durchzuführen. Zusätzlich engagiert das Projektteam sogenannte Agile Coaches, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei all diesen Themen im Verlauf des Projektes zu unterstützen.

[1] Vgl. Niederstadt, 2022, S. 92.
[2] Vgl. Controller Akademie, 2021; DNO, 2020; E-Learning-Magazin, 2019.
[3] DNO, 2020.
[4] Vgl. E-Learning-Magazin 2019.

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